Der Heilige Idesbald gehört in Flandern zu den populärsten Heiligen, er ist unter anderem der Patron der flämischen Seeleute. Im vergangenen Februar haben Forscher seinen Sarg im Kloster Onze-Lieve-Vrow van de Poterie geöffnet, um die sterblichen Überreste einer wissenschaftlichen Untersuchung zu unterziehen und unter anderem sein Alter herauszufinden, aber auch wie man im Hochmittelalter lebte, welche Krankheiten der fromme Mann hatte oder woran er womöglich gestorben ist. Das Ganze bettete sich in ein viel breiter angelegtes Forschungsprojekt ein, bei dem die sterblichen Überreste von rund 1.000 Menschen aus der Zeit von Idesbald, also aus dem 12. Jahrhundert, untersucht wurden.
Das Ergebnis der Untersuchungen war eine kleine Bombe: "Wir sind zu dem Schluss gekommen, dass Leichnam und Sarg zusammengehören, und das sie 250 Jahre jünger sind als erwartet. Es können also nicht die Gebeine des Heiligen Idesbald sein", sagt Dirk Vanclooster, Direktor des Abteimuseums von Koksijde.
Um zu verstehen, was damals geschah, muss man einen Blick in die Vergangenheit werfen. Idesbald lebte im 12. Jahrhundert. 1155 wurde er der Abt des relativ jungen Klosters Onze-Lieve-Vrow ten Duinen in Koksijde, quasi direkt am Meer. Zwölf Jahre später, 1167, starb der fromme Mann und wurde in der Abtei bestattet. Mehr als 400 Jahre später, 1623: Das Dünenkloster lag nach einem Angriff von Plünderern in Trümmern. In den Ruinen des Kapitelsaals fanden die überlebenden Mönche einen Zinksarg. Für sie bestand kein Zweifel: Es muss der des großen Abts Idesbald sein. Sie hüteten die Reliquie wie ihren Augapfel. Über abenteuerliche Wege gelangte der Zinksarg 1627 nach Brügge, wo er sich seither befindet.
Gleich nachdem der Fund des Sarges bekannt wurde, strömten Pilger zu der wertvollen Reliquie, erst recht, als die ersten wundersamen Heilungen kolportiert wurden. Damit setzte auch eine Verehrung des Heiligen Idesbald ein, der vor allem in Flandern bei Rheuma, Gicht und Fieber angerufen wird. Er ist zudem der Patron der Fischer und sogar Namensgeber für das kleine Seebad Sankt-Idesbald in Koksijde. Die Küstengemeinde hatte seit jeher die Rückgabe der Reliquien gefordert. Schließlich lag ja auf ihrem Boden die Wirkungsstätte des Heiligen Idesbald.
Die Nachricht vom falschen Idesbald zauberte denn auch ein wundersames Lächeln auf das Gesicht des Bürgermeisters von Koksijde, Marc Vanden Bussche: Für Koksijde sei das eine gute Neuigkeit, sagt Vanden Bussche mit kaum verhohlener Schadenfreude: "Wir haben hier ein Kapellchen, das schon seit Jahrhunderten als Begräbnisstätte des Heiligen Idesbald verehrt wird, da liegt er also immer noch." Für Brügge sei das natürlich eine schlechte Neuigkeit: Die haben da wohl 400 Jahre lang den falschen verehrt.
Wer in dem Zinksarg liegt, ist unklar, das könnten aber Untersuchungen zum Vorschein bringen. 1968 war der Sarg das letzte Mal geöffnet worden: Damals hatte man einen Oberschenkel-Knochen entnommen, um ihn feierlich Koksijde zu überlassen, damit der Küstenort endlich Ruhe gibt. Es heißt, der spätere Kardinal Gottfried Danneels habe persönlich den Sarg bewacht, aus Angst, Koksijde könnte die Reliquien rauben.