Am Morgen des 7. Mai 1802 zieht Etmund Kever mit Pferd und Karren von Raeren Richtung Rheydt los. In einer Lederfabrik will der 60-Jährige eine Ladung Gerberwerkzeuge abliefern. "Frohgestimmt" habe er sich auf den Weg gemacht, wie seine Familie später aussagte - doch er sollte nie ankommen. Als seine Familie am Abend gerade beim Essen sitzt, ertönt von draußen das vertraute Klappern des Karren. Die Erwartung, dass es der Vater sei, wird jedoch enttäuscht. Stattdessen muss die Familie feststellen, dass Pferd mit Karren allein nach Raeren zurückgekehrt sind.
Die Söhne, Verwandte und die gesamte Nachbarschaft machen sich sofort auf die Suche. Am nächsten Morgen finden sie ihn – brutal erschlagen. Der Fuhrmann wurde auf dem Raerener Friedhof beigesetzt. Sein Mörder konnte trotz aufwendiger Suche nie gefasst werden.
In Gedenken an Kever errichtete man dort, wo man seinen übel zugerichteten Leichnam gefunden hatte, ein kleines Blaustein-Kreuz. "Anno 1802 den ... Mai ist der ehrsame Bürger Etmund Kever de Raeren jämmerlich umgebracht worden R.I.P.". Das sind die Worte, die auf dem unscheinbaren Kreuz am Waldrand zu lesen sind. Ein dörflicher Steinmetz hat die ungelenken Buchstaben in das kleine Denkmal eingemeißelt, das kaum über Kniehöhe hinausragt. Wer bei einem Waldspaziergang zufällig darauf stößt, dem läuft beim Lesen der Inschrift wohl ein eiskalter Schauer über den Rücken.
Über das Motiv des Mordes kann man nur spekulieren. Denkbar wäre, dass Kever Opfer eines Raubüberfalls geworden ist und man es auf seine Ladung abgesehen hatte. Mit 60 Jahren war Kever für damalige Verhältnisse jedenfalls schon recht alt – vielleicht zu alt, um sich zu wehren und damit leichte Beute? Wir werden es wohl nie erfahren.
Am vergangenen Donnerstag hat sich der Todestag von Edmund Kever zum 213. Mal gejährt. Das Blausteinkreuz bewahrt die Erinnerung an die traurige Geschichte Kevers also nun schon seit mehr als 200 Jahren vor dem Vergessen. Jeden vorbeikommenden Wanderer weist es auf die Gräueltat hin, die sich hier einst zugetragen hat. Und damit ist es nicht allein.
Derartige Gedenkstätten sind in unserer Region keine Seltenheit. Im Burtscheider Wald findet sich ein Stein, der in Gedenken an die aus Walhorn stammende Laura Klinkenberg errichtet wurde. Auf dem Weg zu einem Zahnarzttermin in Aachen wurde die 16-Jährige hier Anfang des 20. Jahrhunderts ermordet. Es finden sich aber noch zahlreiche andere Beispiele in den Wäldern des Dreiländerecks.
Etliche Kreuze aus Holz sind jedoch auch in Wind und Wetter verrottet. Und damit ist denn letzlich auch die Erinnerung an die Ermordeten verblasst, denen sie gewidmet waren.
Bilder: Melanie Ganser/BRF
Ich war bei diesem Kreuz 2017 mit meinem Verwandten Ludwig Kever und dessen Familie
aus Köln-Mehrheim. Edmund Kever ist unser geneinsamer Vorfahre. Bernadette Kever aus Ratingen.