Wenn Tadela lacht, dann blitzen ihre weißen Zähne und ihr ganzes Gesicht strahlt Freude aus. Und Tadela lacht oft. Dabei lebt das neunjährige Mädchen in einer kleinen Lehmhütte ohne Fenster und mit wenigen Möbeln. Das einzige Bett teilt sie sich mit ihrer Mutter und den beiden Schwestern, mit denen sie abends eng umschlungen einschläft. Das Leben in den Armenvierteln von Gondar im Norden Äthiopiens ist hart. Das Mädchen wirkt glücklich - doch was ist Glück überhaupt? Hat es mit materiellem Besitz zu tun oder mit einer inneren Einstellung? Darüber gab es schon immer viele Diskussionen - und auch Experten befassen sich eingehend mit dem Thema.
Auch wenn jeder etwas anderes darunter versteht: Am Freitag (20. März) begehen die Vereinten Nationen den Internationalen Tag des Glücks. Das Streben nach Glück und Wohlbefinden sei ein grundlegendes menschliches Ziel und müsse deshalb auch in den Zielsetzungen der Politik berücksichtigt werden, hieß es 2012 in einer entsprechenden UN-Resolution.
Nach Einschätzung von Glücksforscherin Hilke Brockmann kann ein Glücksgefühl wenige Sekunden oder sogar auch Jahre andauern. "Glück ist eine messbare individuelle positive Reaktion auf äußere (und innere) Eindrücke, die ein bestimmtes - nach Glück suchendes - Verhalten auslösen", erklärt die Expertin von der Jacobs-Universität in Bremen. "Das Glück des Menschen bündelt positive kognitive Bewertungen und positive emotionale Gefühle und reicht von einem momentanen Erlebnis bis zu einer das ganze Leben erfassenden Zufriedenheit."
Da ergibt sich die Frage, ob Menschen solche positiven Reaktionen auch haben können, wenn sie am Existenzminimum leben und kaum wissen, wie sie am nächsten Tag Essen auf den Teller bekommen sollen. Um das zu beantworten, muss man sich zunächst bewusst machen, welche Faktoren überhaupt ein Glücksgefühl auslösen. Dazu gehören laut dem amerikanischen Meinungsforschungsinstitut Gallup ein sinnerfülltes, motiviertes Leben, die Qualität der sozialen Beziehungen, die Qualität des Lebens in der Gesellschaft, finanzielle Sicherheit und körperliche Gesundheit.
"Aber sind die materiellen Existenz-Grundbedürfnisse einmal erfüllt, führt mehr Materielles nicht zu mehr Zufriedenheit, da wir unsere Erwartungen einfach noch oben anpassen", sagt Glücksforscher Karlheinz Ruckriegel von der Technischen Hochschule Nürnberg. "Der Gewöhnungseffekt von Geld ist sehr hoch", sagt auch Hilke Brockmann.
Das Bedürfnis, immer mehr zu besitzen, sei vor allem sozial geschaffen. Die neueste Mode, ein schnelleres Auto, eine schicke Wohnung oder ein exklusiver Urlaub erzeugten nur dann Glücksgefühle, wenn das soziale Umfeld dies zulasse: "Wenn der Nachbar mir aber immer einen Schritt voraus ist, dann bringen mir die neuen Kleider und der PS-starke Wagen keine nachhaltigen Glücksgefühle - denn es geht ja scheinbar immer noch besser", so Brockmann.
Auch in Afrika ist derweil das soziale Umfeld überaus wichtig - jedoch hat dies nichts mit Statussymbolen zu tun. In den meisten Teilen des Kontinents gibt es hingegen ein sehr starkes Zusammengehörigkeitsgefühl und enge Familienbindungen. Das wenige, was zur Verfügung steht, wird ganz selbstverständlich geteilt.
"Ubuntu" ist ein Wort aus der Zulu-Sprache, das dieses Konzept wohl am besten ausdrückt. Wörtlich übersetzt heißt es etwa so viel wie "Menschlichkeit gegenüber anderen".
Der südafrikanische Friedensnobelpreisträger und frühere Erzbischof Desmond Tutu hat den Begriff einmal so umschrieben: "Wir glauben, dass ein Mensch nur durch andere Menschen zu einem Menschen wird. Dass meine Menschlichkeit untrennbar mit Deiner verbunden ist. (...) Ein einzelner, losgelöst lebender Mensch ist ein Widerspruch in sich selbst. Nur in der Gemeinschaft werden wir zu Menschen."
Welche Rolle kann Armut in diesem Zusammenhang haben? "Vielleicht beraubt Armut die Menschen kurzfristig des Glücks, aber sie zwingt sie auf längere Sicht dazu, den Fokus auf die Beziehungen zu ihren Kindern, zu ihren Göttern und zu ihren Freunden zu legen, die dem Leben immer mehr Sinn geben", brachte es die Zeitschrift "New Yorker" im vergangenen Jahr auf den Punkt.
Während die glücklichsten Menschen weltweit vor allem in Ländern Skandinaviens und Lateinamerikas leben, ist Afrika als Kontinent anscheinend im Begriff aufzuholen. "Afrika schien 2014 die glücklichste Region der Welt gewesen zu sein: 83 Prozent der Befragten gaben an, zufrieden zu sein", heißt es auf der Webseite der Gallup Organisation, die über 64.000 Menschen in 65 Ländern zu ihren Erwartungen und Hoffnungen befragt hat. 70 Prozent der Afrikaner glauben zudem, dass 2015 ein besseres Jahr werden wird als 2014. Vielleicht folgen die Menschen von Algerien bis Südafrika einfach einem alten Sprichwort aus Uganda, das besagt: "Die billigste Art, sein Aussehen zu verbessern, ist es, ein Lächeln zu tragen."
Von Carola Frentzen, dpa - Illustrationsbild: Dai Kurokawa (epa)