Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) befasst sich mit einem umstrittenen Fall passiver Sterbehilfe in Frankreich. Die Eltern des 38-jährigen querschnittsgelähmten Vincent Lambert wollen die künstliche Ernährung ihres Sohnes fortsetzen. Seine Ehefrau und weitere Angehörige wollen in Übereinstimmung mit den Ärzten die lebensverlängernden Maßnahmen jedoch stoppen.
Der Vertreter der Eltern, Jean Paillot, bezeichnete den Abbruch der künstlichen Ernährung am Mittwoch in Straßburg vor den 17 EGMR-Richtern als Euthanasie. Die Geräte abzuschalten wäre aus seiner Sicht ein Verstoß gegen das Grundrecht auf Schutz des Lebens.
Staatsrat erlaubte passive Sterbehilfe
Im Juni 2014 hatte der Staatsrat, Frankreichs oberstes Verwaltungsgericht, die passive Sterbehilfe erlaubt. Der ehemalige Krankenpfleger befindet sich nach einem Verkehrsunfall vor sechs Jahren im vegetativen Zustand. Ein Urteil wird in den nächsten Monaten erwartet.
Für den Vertreter der französischen Regierung, François Alabrune, hat der Staatsrat seine Entscheidung sorgfältig abgewogen. "Es wird nicht der Tod des Patienten herbeigeführt, die medizinische Behandlung wird beendet, da keine Aussicht auf Besserung besteht und das Leben nur künstlich verlängert wird", sagte er.
Sollte der EGMR die Klage der Eltern abweisen, könnte die Entscheidung des Staatsrats umgesetzt und die passive Sterbehilfe für Lambert zugelassen werden. Problematisch ist, dass der Mann nie eine Patientenverfügung verfasst hat. Es gibt nur die mündliche Zusicherung seiner 33-jährigen Ehefrau, dass ihr Mann immer gegen eine künstliche Lebensverlängerung gewesen sei. Nach Ansicht der Ärzte besteht angesichts der schweren Hirnverletzungen keine Chance auf Besserung.
In Frankreich können Ärzte zusammen mit Angehörigen eine "Lebensverlängerung um jeden Preis" abbrechen und unheilbar Kranke am Lebensende "sterben lassen". Aktive Sterbehilfe ist in Frankreich wie in den meisten europäischen Ländern verboten.
dpa/est - Bild: Frederick Florin (afp)