Wer ein einziges Leben rettet, rettet die ganze Welt, heißt es im jüdischen Talmud. Nimmt man den Spruch wörtlich, retteten 18 spanische Diplomaten während des Zweiten Weltkriegs gleich 8000 Mal die Welt. Unter dem Regime des Diktators Francisco Franco (1939-1975), als Ungehorsam verheerend und Widerstand sogar tödlich sein konnte, waren sie da, verhalfen Juden zur Flucht, verhinderten Deportationen und retteten Tausenden das Leben.
José Antonio Lisbona hat die Geschichten der bisher weitgehend unbekannten stillen Helden rekonstruiert. "Sie taten, was sie nicht tun mussten, schauten nicht nur hin, sondern riskierten ihre Karriere und ihr Leben, um Juden zu helfen", sagte der Professor und Journalist der Zeitung "El País". Das Ergebnis ist als Ausstellung "Mas allá del deber" (Jenseits der Pflicht) bis 19. Dezember im Palacio de Santa Cruz in Madrid zu sehen.
"Das faschistische Franco-Regime versuchte damals alles, um die Leute glauben zu machen, es sei der Diktator gewesen, der die Rettungsaktion der Juden vorangetrieben habe. Dabei war es genau umgekehrt", erklärt der Forscher seine Beweggründe.
Offiziell stand Franco den Deutschen neutral gegenüber - trotzdem sympathisierten viele Spanier mit dem NS-Regime. Der Grund dafür liegt Jahre zurück: Während ein blutiger Bürgerkrieg 1936-1939 das Land spaltete, erhielten die Truppen des rechtsgerichteten Putschisten und späteren Diktators Franco Hilfe von Deutschland und Italien. Die "Franquistas" waren deshalb und auch aus ideologischen Gründen den faschistischen Regimen von Adolf Hitler und Benito Mussolini verpflichtet.
Wirkungskreis über acht Länder und zwölf Städte
Die meisten der Diplomaten, deren Wirkungskreis sich über acht Länder und zwölf Städte erstreckte, hielten ihre Aktivitäten geheim - vor ihrem Heimatland und oft auch vor ihren eigenen Familien. Auf ihre eigene Verantwortung interpretierten sie Anweisungen aus Madrid großzügig, wie aus einem Briefwechsel zwischen Außenminister Gómez Jordana an seinen für das Militär zuständigen Kollegen Carlos Asensio im März 1943 hervorgeht: "Wir können sie (die Juden) nicht nach Spanien überführen, denn das ist auf keinerlei Weise abgesprochen und wurde nicht vom Caudillo (Franco) genehmigt. Aber ebenso wenig können wir sie ihrer jetzigen Situation überlassen und vorgeben zu ignorieren, dass sie spanische Staatsbürger sind."
Ihre Hilfe reichte von der Ausstellung von Schutzpapieren über die Befreiung von Inhaftierten bis hin zur Rückführung von Vertriebenen in ihre Heimatländer.
Bis zu 35.000 Juden konnten laut neuesten Recherchen Lisbonas durch spanische Hilfe gerettet werden. Mindestens 8000 von ihnen wurden von den mutigen Diplomaten in Sicherheit gebracht. Mit ihren geheimen Aktivitäten, oft Nacht-und-Nebel-Aktionen unter gefährlichen Bedingungen, stets in der Angst aufzufliegen, bewahrten sie die Juden vor der Deportation in Konzentrationslager.
Auch der französische Politiker René Mayer (1895-1972) verdankte sein Leben dem Mut eines spanischen Diplomaten. Antonio Zuloaga kostete es mehrere gefährliche Versuche, doch dem Presseattaché gelang es im Januar 1943, Mayer unter falschem Namen über die Grenze zu schmuggeln und ihm eine neue Heimat in Barcelona zu verschaffen.
Zu den stillen Helden, deren Lebens- und Wirkungsgeschichte die Ausstellung anhand von Fotos und Originaldokumenten erzählt, gehörte auch Ángel Sanz Briaz (1910-1980). Der "Engel von Budapest" verhalf als Diplomat zwischen 1942 und 1944 in Ungarn tausenden Juden zur Flucht. Seine Aktionen sind schon länger bekannt. Andere Helden bekommen erst durch Lisbonas Recherchen ihre verdiente Ehrung: José Rojas y Moreno, Sebastián Romero Radigales, Generalkonsul in Athen, das Ehepaar José Ruiz Santaella und Carmen Schrader und viele mehr.
"Das Projekt ist eine Hommage an die Menschlichkeit und an den Mut weniger, den faschistischen Regimen den Gehorsam zu verweigern", sagt Concha Jiménez Castro, eine Besucherin der Ausstellung. Der spanische Außenminister José Manuel García-Margallo betont: "Sogar in Momenten, in denen es schien, als erreiche die menschliche Natur den Höhepunkt der Niederträchtigkeit, gibt es Menschen, deren moralische Stärke uns alle erlöst."
Julia Gurol, dpa