Aufwachen in Kribi, 6 Uhr, Mittwochmorgen. Da der Strom weg ist, öffne ich die Türe meines Zimmers, um Licht herein zu lassen. Der Ausblick verschlägt mir die Sprache - und schlagartig wird mir klar, dass gerade der letzte Tag unseres Abenteuers anbricht. Ein bisschen Wehmut kommt da schon auf.
In die Wirklichkeit zurück holt mich der Gedanke an den stecken gebliebenen Gepäck-LKW. Da ich keine Lust habe, in die dreckigen Klamotten vom Vortag zu steigen, drehe ich erst einmal eine Runde über das Gelände und versuche, mit der Kamera den magischen Morgen festzuhalten.
Vom LKW übrigens immer noch keine Spur. Um 7 Uhr bin ich mit Alexa verabredet. Per Telefon berichtet sie ein letztes Mal aus Kamerun von unserem Abenteuer, dann zeichnen wir ein Interview für den Fernseh-Beitrag auf. Und plötzlich kommt Bewegung in die Sache. Es ist kaum zu glauben, aber der Ersatz-LKW rollt an. Übrigens ist nicht nur unser LKW, sondern auch der Kran, der ihn aus dem Matsch ziehen sollte, darin versunken. Deshalb hat das Militär einen Ersatz geschickt, der einen riesigen Umweg und die Nacht durch gefahren ist, um uns die Fahrräder und das Gepäck zu bringen.
Das Entladen geht mehr oder weniger chaotisch und relativ schnell über die Bühne. Die Fahrrad-Kartons sind allerdings nicht dabei. Aber wie wir die Räder ins Flugzeug kriegen, darüber können wir uns später immer noch Gedanken machen. Erst einmal (kalt) duschen, in frische (naja, mittlerweile ist alles im Koffer eher klamm-feucht) Sachen steigen und ein letztes Mal frühstücken. Es gibt Baguette und Marmelade, Omelette, Wassermelone und Papaya.
Fotoalbum: Ravel du Bout du Monde – Letzte Etappe
Dann startet die letzte Etappe des Ravel du Bout du Monde 2014. Per Fahrrad geht es durch Kribi, bis zum Haus von Yannick Noah. Der französisch-kamerunische Sänger und ehemalige Tennisspieler hat einen Zweitwohnsitz in Kribi. In seinem Garten drehen wir die letzten Einstellungen für die RTBF-Reportage aus Kamerun. Beverly Jo Scott und Berthe D-WA Tanwo singen ihr letztes Duett. Da blitzen nicht nur bei den Sängerinnen, sondern auch bei den Kandidaten ein paar Tränchen auf.
Vor der Abreise müssen wir ein letztes Mal das berühmte "Protokoll" über uns ergehen lassen. Beim Staatsempfang in Douala schüttelt der Minister jedem einzelnen die Hand, es werden noch ein paar Reden geschwungen, die Zeremonie zieht sich in die Länge. Das "Protokoll" gehört eindeutig zu den negativen Eindrücken der Reise, um jede Ankunft wird unnötig Tamtam gemacht und jedes offizielle Treffen wird unnatürlich aufgebauscht. Jeder, der etwas zu sagen hat (oder glaubt, etwas zu sagen zu haben), ergreift das Wort. Dabei hätten wir uns viel lieber mit den Leuten unterhalten.
Hängen bleiben werden auch die gemischten Gefühle bei den Begegnungen mit den Menschen. In der Stadt begegnete man uns mit distanzierter Freundlichkeit, meist aber mit Skepsis und manchmal mit offenem Misstrauen. Dabei half es natürlich wenig, dass uns ständig eine Eskorte mit Blaulicht begleitete - ohne hätten wir allerdings stundenlang im Stau gesteckt, meinen die lokalen Organisatoren, und haben damit wohl Recht. Trotzdem ein komisches Gefühl.
Mehr als unwohl gefühlt habe ich mich auch auf einem der Märkte. Richtig aggressiv wird man von den Marktleuten dazu gedrängt, etwas zu kaufen. Und dabei ist jedes Mittel Recht. Bei meiner Frage nach Plätzchen aus Kamerun bekomme ich eine Packung in die Hand gedrückt, auf der ich die Aufschrift "made in India" finde. Als ich dem Standbesitzer das zeige, zuckt er nur mit den Schultern und zieht die nächste Packung aus dem Regal. Made in Spain.
Auf den Dörfern allerdings sind die Menschen warmherzig und gastfreundlich. Sie laden in ihre Hütten ein und man kommt schnell mit ihnen ins Gespräch. Natürlich versuchen die Schulkinder mit ein paar Tricks, einen zweiten Stift zu ergattern, aber das ist sicher in jedem Teil der Erde der Fall. Den Unterschied zwischen den Menschen auf dem Land und in der Stadt erklärt Reiseführerin Solange damit, dass auf dem Land für alle gesorgt ist, weil es auf den Feldern genug zu essen gibt. In der Stadt müssen die Leute ihr Essen kaufen, was sie unter Druck setzt und Stress auslöst.
Allerdings überwiegen die positiven Eindrücke. Mit ein bisschen Abstand werde ich das alles etwas klarer sehen, momentan - einen Tag nach der Landung in Brüssel - herrscht noch Chaos im meinem Kopf. Aber was mir sofort einfällt, ist das Jugendzentrum in Dschang, das gegen HIV und sexuelle Gewalt kämpft. Diese Jugendlichen nehmen ihre Zukunft in die Hand. Beeindruckend waren auch die beiden HIV-infizierten Mütter, die ein glückliches Leben leben.
Wir Europäer sollten uns eine Scheibe von der afrikanischen Lebenseinstellung abschneiden: Nicht alles allzu ernst nehmen und Gelassenheit walten lassen, wenn es mal nicht so läuft, wie wir uns das vorstellen. Das Leben einfach etwas entspannter sehen. Anstatt sich über die lange Wartezeit aufzuregen, trällern die Frauen im Impfzentrum in Limbé gemeinsam ein Lied.
Völlig überrascht hat mich das satte Grün der Savanne und der Regenwälder. Die Natur ist einfach überwältigend. Und das kamerunische Essen ist lecker. Das Gemüse für Ndolé wird in Belgien schwer zu beschaffen sein, aber Kochbananen dürften sich wohl finden lassen. Ein gegrillter Maikäfer hat allerdings gereicht.
Bilder: BRF
Für diese unvergesslichen 7 Tage in Kamerun mit dem “Beau Vélo au bout du monde” möchte ich mich ganz herzlich beim BRF und der RTBF bedanken. Wir sind durch überwältigende Wälder und Landschaften gefahren, wurden überall sehr herzlich empfangen und haben auch in unserer Reisegruppe sehr schöne Momente erlebt.
Der Zweck dieser Reise, unseren Landsleuten, bzw. Europäeren, durch Fotos, Berichte und TV-Sendungen einen kleinen Eindruck dieses schönen Landes zu vemitteln, um sie damit auf den Geschmack zu bringen Kamerun einmal zu besuchen, wird ganz sicher so erfüllt. Und es gibt dort noch so viel mehr zu entdecken!
Auf Wiedersehen, Kamerun, wir kommen wieder!
Alexa Dahmen