Gelockt hatte Stéphane Bleus einige Dutzend Anleger mit der Aussicht auf lukrative Renditen. Als der Schwindel aufzufliegen drohte, setzte sich der Betrüger ab. Er ist seither spurlos verschwunden. Zusammen mit dem Geld von Dutzenden Anlegern, die in die Röhre gucken. "Eines Tages werde ich wie Fantômas verschwinden", soll Stéphane Bleus einmal gesagt haben. Am Donnerstag haben sich einige ehemalige Mitarbeiter und auch Geschädigte zu Wort gemeldet.
Stéphane Bleus, die Presse hat ihn schon den "Belgischen Bernard Madoff" getauft, benannt also nach dem Betrüger, der in den USA Anleger um mindestens 65 Milliarden Dollar betrogen haben soll. Stéphane Bleus könnte sich tatsächlich an Bernard Madoff inspiriert haben. Nach dem, was man im Augenblick weiß, hat Bleus jedenfalls nach einem ähnlichen Muster agiert.
Stichwort: Pyramidensystem. Man verspricht den Anlegern lukrative Dividenden. Wenn es ausreichend Interessenten gibt und vor allem: Genug Geld in der Kasse, dann kann es losgehen. Natürlich gibt es gar kein Geschäftsmodell. Es gibt nur eine Kasse, einen Klingelbeutel. Und die Anleger zahlen ein. Solange das System mit Geld gefüttert wird, ist es möglich, den einen oder anderen Anleger auszuzahlen, sogar mit der versprochenen Rendite.
Es gibt zwei Grundbedingungen. Erstens: Es muss regelmäßig frisches Geld von Anlegern in das System fließen. Von selbst generiert es keinen Mehrwert. Zweitens: Es dürfen nicht alle Anleger zugleich ihr Geld fordern. Das Geld reicht nur, um den Anschein zu erwecken, als drehe das Modell.
Das ganze steht und fällt natürlich mit dem Vertrauen der Anleger: Die Show muss stimmen. Und die stimmte anscheinend. Stéphane Bleus hatte ein ganzes Netz an Firmen um sich herum aufgebaut, sagte in der RTBF ein ehemaliger Mitarbeiter, dessen Stimme aus Anonymitätsgründen verzerrt ist. Es gab zum Beispiel verschiedene Verlagshäuser, die sich gegenseitig Bücher abkauften, um Umsatz vorzutäuschen. Es gab Mitarbeiter in Charleroi, Lüttich und Brüssel. Man munkelte auch über Niederlassungen in Luxemburg und Antwerpen. Im Endeffekt waren es aber lediglich Briefkästen. Herzstück des Konstrukts war ein Büro in der prestigeträchtigen Avenue Louise in Brüssel. Dort thronte Stéphane Bleus. Und er war offenbar ein Meister der Selbstinszenierung.
Stéphane Bleus war exzentrisch, sagt ein anderer Ex-Mitarbeiter, den sein ehemaliger Chef anscheinend um 200.000 Euro betrogen hat. Er kam gepflegt und manieriert daher. Zugleich umgab ihn eine fast schon mysteriöse Aura. Stéphane Bleus war offenbar ein Blender, wie er im Buche steht. Wie die Zeitung L'Echo berichtet, hatte er sogar damit begonnen, keinen geringeren als den Vorsitzenden der belgischen Bischofskonferenz, Monseigneur André-Joseph Léonard, um seinen Finger zu wickeln. Aus einem Briefwechsel geht hervor, dass Léonard sich von Stéphane Bleus finanzielle Unterstützung beim Ausbau eines Seminars erhoffte. Wie der Sprecher der Bischofskonferenz erklärte, sei es aber nie zu einem Deal gekommen. Von dem Betrug habe Leonard selbstredend nichts gewusst.
Fakt ist jedenfalls: Irgendwann muss das System ausgetrocknet sein. An jenem letzten Donnerstag im Januar kam ein Kunde ins Büro, erzählt der ehemalige Mitarbeiter: "Der Mann wollte partout sein Geld, und er wollte sitzen bleiben, bis er es hatte. Da wussten wir, dass es ein dickes, dickes Problem gab." Seit jenem 30. Januar ist Stéphane Bleus verschwunden. Die Mitarbeiter wollen nichts von dem Betrug geahnt haben. Nichts desto trotz sind den Konkursverwaltern buchstäblich die Schuhe ausgefallen, als sie sich das Firmenkonstrukt einmal genauer angeschaut haben. "Die Mitarbeiter produzierten keinen Mehrwert. Allenfalls Internetseiten, die keiner braucht oder Bücher, die keiner liest. Es gab drei Chauffeure, aberkein Auto", sagte ein Konkursverwalter in der RTBF. Zurück bleiben 20 arbeitslose Mitarbeiter, und 60 bis 70 Anleger, die mitunter alles verloren haben. 100 Millionen Euro sollen es insgesamt sein.
Neben der Staatsanwaltschaft Brüssel hat auch die Justiz in Luxemburg Ermittlungen eingeleitet. Stéphane Bleus indes ist und bleibt verschwunden. Ein letzter Handy-Anruf konnte zurückverfolgt werden, ins Kosovo. Laut Gerüchten könnte er sich auch nach Uruguay abgesetzt haben. Die Jagd auf den "belgischen Madoff" ist eröffnet.
Archivbild: Herwig Vergult (belga)