Die deutsche Touristin verstand die Welt nicht mehr. Eine Baseballmütze wollte sie, und wieder und wieder fragte sie den Verkäufer in Manhattan nach einem "Basecap". Doch der guckte sie nur fragend an. Ja, redete denn der Amerikaner kein Englisch? Doch, tat er. Sie aber nicht - zumindest nicht beim entscheidenden Wort.
"Basecap" ist ein typisches englisches Wort, das gar kein Englisch ist. Die deutsche Erfindung ist eines in einer ganzen Reihe von vermeintlich englischen Wörtern, die nur Deutschsprachige kennen. Und die Verwirrung ist oft groß.
Sprachpuristen ärgern sich über diese Wörter, die in die Rubrik Pseudoanglizismus fallen. Dabei können Engländer und Amerikaner gar nichts dafür - sie ahnen nicht einmal, welche sprachlichen Eier sich die Deutschen selbst ins Nest legen. Oldtimer und Happy End, Beamer und eben Basecap - so etwas gibt es im Englischen gar nicht, oder es bedeutet etwas völlig anderes. "Beamer" ist Slang für etwas sehr deutsches: Einen BMW. Der Projektor heißt in den USA schlicht "Projector". Und Basecap? Das ist eine Zierleiste, die es im Baumarkt gibt.
Das erfolgreichste Wort dieser Art ist "Handy". Untersuchungen haben ergeben, dass das Wort im Deutschen längst die häufigste Bezeichnung für ein Mobiltelefon ist. Im Grunde ist es kein Wunder, ist das Wort doch kurz und prägnant - aber eben falsch. Denn wenn es ein deutsches Wort ist, müsste man es eigentlich "Händy" schreiben. Derartige Versuche gab es sogar, sie sind aber längst Geschichte.
"Viele Deutsche haben das Bedürfnis, zur Benennung der Welt nicht ihre eigene Sprache, sondern die ihrer Kolonialherren zu verwenden", poltert der Vorsitzende des Vereins Deutsche Sprache, Walter Krämer. "Die Londoner 'Times' hat das einmal als 'linguistic submissiveness' (sprachliche Unterwürfigkeit) bezeichnet. Wenn man bösartig wäre, könnte man auch Arschkriecherei sagen."
Gegen die Übernahme fremder Ausdrücke sei nichts einzuwenden - so lange sie sinnvoll sei. "Davon kann aber im Verhalten der Deutschen zum Englischen überhaupt keine Rede sein." Dieses sei eine Flucht: "Für viele ist ihr Denglisch eine Art selbstgemachter Kosmopolitenausweis nach dem Motto 'Lieber ein halber Ami als ein ganzer Nazi'."
Public Viewing und Streetworkerin
Dabei können die vermeintlich englischen Wörter zuweilen für große Verwirrung sorgen. Millionen Deutsche amüsieren sich beim Public Viewing? In Amerika ist Public Viewing die Aufbahrung von Leichen im offenen Sarg. Da passt der "Body Bag" - ein Begriff, mit dem ein Händler ernsthaft einen Rucksack anpries. In den USA ist das schlicht ein Leichensack.
"Viele Pseudoanglizismen sind so integriert, dass man sie gar nicht mehr sieht", sagt der Sprachwissenschaftler Joachim Grzega. "Showmaster wurde damals von Rudi Carrell erfunden, 'zappen' für Umschalten kennen nur wir Deutschen, aber der 'Home Trainer' hat es sogar ins Niederländische geschafft."
Andere könnten dies allerdings auch: Franzosen und Italiener etwa sagten "Footing" zu dem, was auf gut Deutsch "Jogging" heißt. Die Schuldigen sieht der Grzega gerade in der Werbung. "Da haben uns Leute klipp und klar gesagt: Uns ist egal, ob das Quatsch ist, aber es klingt cool."
"Ich war sehr verwirrt, als ich meine Schüler nach ihren Berufen fragte", erzählt Cindy Grant. Die New Yorkerin gibt in Kassel einen Erwachsenenkurs für Englisch, und eine Schülerin sagte stolz, dass sie Streetworkerin sei. In Amerika ist das fast gleich klingende Streetwalker die Umschreibung für eine Prostituierte.
Auf Grants verwirrten Blick hin sagte die Sozialarbeiterin stolz, dass der Job ihr ganzes Leben sei und sie ihn mit voller Hingabe den ganzen Tag mache. "Ich dachte erst, wow, dass die Europäer da offener sind, wusste ich, aber das... wow!" Erst ein Mitschüler mit Amerikaerfahrung löste das Missverständnis.
Lesetipp:
Joachim Grzega: Zu den pseudo-englischen Fremdwörtern im Deutschen
In: Sprachwissenschaft ohne Fachchinesisch. Sieben aktuelle Studien für alle Sprachinteressierten.
Shaker, Aachen 2001
ISBN 978-3-8265-8826-6
Von Chris Melzer, dpa - Archivbild: BRF
Zitat: “Viele Deutsche haben das Bedürfnis, zur Benennung der Welt nicht ihre eigene Sprache, sondern die ihrer Kolonialherren zu verwenden”
In Ostbelgien ist es genau so: Wir haben ja auch schließlich Wörter unser Kolonialherren in unser Deutsch eingebaut, d.h. französische Wörter werden benutzt, um besonders belgisch zu sein. Beim Fluchen benutzt man bekanntlich immer die Muttersprache, und dies ist hierzulande eben "Nudidschü", in deutschen Landen unbekannt.
Und mit den falschen Englischwörtern ist es in Ostbelgien auch so. Ansonsten sollte folgendes gelten:
"Use nicht zu viele english Words in deiner german Language, sonst kommt die Message bei den Oldies nicht mehr rüber"
Das ganze erinnert mich, als ich vor 10 Jahren mal in Malta war, um mein Englisch zu verbessern. Beiläufig während des Unterrichtes erzählte ich auch, dass die Geldautomaten in Belgien "Mister Cash" genannt werden. Daraufhin brach grosses Gelächter im Klassenraum aus. Im Englischen Sprachraum heissen die nähmlich ATM (Automated Teller Machine) oder Cash Machine.
Bei der intendierten Realisierung der linguistischen Simplifizierung des regionalen Idioms resultiert die Evidenz der Opportunität extrem apparent, den elaborierten und quantitativ opulenten Usus nicht assimilierter Xenologien konsequent zu eliminieren!
»Zur Vereinfachung der Muttersprache erscheint es sehr sinnvoll, nicht so viele schwierige Fremdwörter zu benutzen.«
Gut, weil sehr offenherzig geschriebener Artikel!
Auch mir geht die dauernde Verwendung anglo- amerikanischer (Un-)Worte auf die Nerven, vor allem dann, wenn es ein gleichwertiges deutsches Wort dafür gibt. Schauen Sie sich die Werbung oder Stellenanzeigen an: ist den Verfassern überhaupt klar, das sie sich mit diesen Extravaganzen nicht nur ein Armutszeugnis an Fantasie und Schöpfungskraft sondern auch noch hochgradige sprachliche Unterwürfigkeit (sehr treffender Begriff!) ausstellen? Sicher nicht, es soll "modern" klingen und erreicht bei vielen Menschen eher Unverständnis und ein mildes Lächeln.
Übrigens drehe ich immer häufiger den Spiess um: ein charmantes "Merci" oder "Pardon" ist um Längen besser als ein plattes "thanks" oder "sorry". Wenn ich dann noch von einem GSM spreche anstelle eines "Händis" werden selbst die zwanghaft denglisch Sprechenden nachdenklich.