Nach seiner Serie von spektakulären Enthüllungen über Geheimdienste in den USA und Großbritannien hat Ex-NSA-Mitarbeiter Edward Snowden zu Weihnachten persönlich Bilanz gezogen. Er habe sein Ziel erreicht, sagte der 30-Jährige, der in Russland im Asyl lebt, der «Washington Post». «Ich habe bereits gewonnen», sagte er. Er habe nicht die Gesellschaft ändern, sondern ihr eine Chance geben wollen, herauszufinden, ob sie sich ändern wolle.
In einer vom britischen Sender Channel 4 ausgestrahlten Fernsehansprache rief der frühere externe Mitarbeiter des US-Geheimdienstes NSA zum Ende der weltweiten Massenüberwachung auf. Der Autor George Orwell habe in seinem Buch «1984» einst vor den Gefahren solcher Informationen gewarnt, sagte Snowden in einer alternativen Weihnachtsbotschaft des britischen Senders Channel 4. Die in dem Buch aufgeführten Überwachungsmethoden seien jedoch nichts im Vergleich zu dem, was heute möglich sei.
«Wir haben alle Sensoren in unseren Taschen, die uns verfolgen, wohin wir auch gehen.» Snowden gehört zu den weltweit umstrittensten Figuren des Jahres 2013. Anfang Juni hatte ein erster Bericht zur Überwachung von Handy-Verbindungen die Affäre um den US-Geheimdienst NSA ins Rollen gebracht. Die Unterlagen machten die Dimension des weltweiten Überwachungssystems der NSA öffentlich. Dabei wurde unter anderem enthüllt, dass die NSA flächendeckend Internet-Daten aufsaugt und dass die deutsche Kanzlerin Angela Merkel abgehört wurde.
"Bin kein Überläufer"
In dem Interview mit der «Washington Post», das laut Zeitung 14 Stunden dauerte, wies Snowden Vorwürfe zurück, er sei ein Überläufer. «Ich versuche nicht, die NSA kaputt zu machen; ich arbeite daran, die NSA zu verbessern», sagte Snowden. «Ich arbeite momentan noch immer für die NSA. Sie sind die einzigen, die es nicht bemerken.» Snowden wird in den USA als Verräter verfolgt. Andernorts wurde er auch für hohe Auszeichnungen vorgeschlagen.
Snowden, der sich im Asyl nach eigenen Angaben hautsächlich von Instantnudeln und Chips ernährt, verteidigte sein Vorgehen in dem Interview ausdrücklich. Es seien auch die Passivität der Geheimdienst-Kontrolleure im US-Kongress und die lasche Aufsicht durch das zuständige geheime Gericht gewesen, die ihn zum Handeln gedrängt hätten.
Er habe zunächst Kollegen und Vorgesetzte auf die Missstände hingewiesen, sagte Snowden. Zudem habe er 2009 selbst vorgeschlagen, ein Vier-Augen-System für Administrator-Zugänge einzuführen. Wäre dies geschehen, hätte er später nicht unbehelligt Zehntausende Dokumente herunterladen können. Die NSA hat nach eigenen Angaben keine Belege für diese Darstellung Snowdens.
Asyl in Russland
Der von den USA wegen Geheimnisverrats gesuchte Informant hatte mehreren Journalisten Dokumente der NSA zugespielt, für die er vor seiner Flucht auf Hawaii gearbeitet hatte. Snowden war im Sommer auf einem Moskauer Flughafen gestrandet, nachdem die USA seinen Pass für ungültig erklärt hatten. Russland gewährte ihm Asyl bis Juli 2014.
US-Präsident Barack Obama hatte Snowdens Enthüllungen Ende vergangener Woche als «unnötigen Schaden» für die Geheimdienstarbeit und die Diplomatie bezeichnet. Zugleich räumte er aber ein, die Datensammlung und die Abhöraktionen der NSA hätten das Vertrauen von ausländischen Partnern erschüttert.
Experten hatten Obama jüngst 46 Änderungsvorschläge zur Geheimdienstarbeit unterbreitet, darunter eine stärkere Zurückhaltung bei der Überwachung ausländischer Staatenlenker. Der US-Präsident kündigte an, das Thema im kommenden Jahr anzugehen.
dpa - Bild: Channel 4 / afp