Er tritt herzlich und bescheiden auf, bringt frischen Wind in den Vatikan und schreckt auch vor Reformen nicht zurück. Schon in den ersten Monaten seines Pontifikats hat Papst Franziskus gezeigt, dass er in seinem Amt an der Spitze der katholischen Kirche etwas bewegen, verkrustete Strukturen aufbrechen und neue Wege gehen will.
Oft wählt der Argentinier Jorge Mario Bergoglio dafür aufrüttelnde Worte und spart auch mit Kritik an seiner Kirche nicht, wie zuletzt auch in seinem als Regierungserklärung bezeichneten ersten Lehrschreiben.
Mit seiner offenen und humorvollen Art begeistert der 76-Jährige von Anfang an die Massen, geht ohne Berührungsängste auf die Menschen zu. Der erste Lateinamerikaner und Jesuit auf dem Stuhl Petri genießt das Bad in der Menge, sucht den Kontakt zu den Gläubigen. Es sind Bilder, die um die Welt gehen: Franziskus berührt einen entstellten Mann, er umarmt Behinderte und küsst kleine Kinder, streichelt einen Jungen, der sich während der Predigt zum Pontifex geschlichen hat.
Seit rund acht Monaten ist Bergoglio das Oberhaupt von weltweit 1,2 Milliarden Katholiken. Sein Aufstieg wurde möglich, weil der gebrechliche Benedikt XVI. im Alter von 85 Jahren als erster Papst der Neuzeit seinen Rücktritt erklärte. Bergoglio ging als Außenseiter in das Konklave, das er am 13. März als neuer Papst verließ. Nach seiner Wahl machte der Sohn italienischer Einwanderer klar, dass er ein bescheidenes und unauffälliges Auftreten bevorzugt. Er wohnt weiter im Gästehaus des Vatikans anstatt im Apostolischen Palast, trägt weiße Messgewänder und pflegt einen schlichten Lebensstil.
An Ostern wusch er in einem Jugendgefängnis Gefangenen die Füße, seine erste Reise führte ihn Anfang Juli auf die Flüchtlingsinsel Lampedusa. Im Syrien-Konflikt appellierte er in einem Brief an den russischen Regierungschef Wladimir Putin und den G20-Gipfel, eine friedliche Lösung zu finden. Immer wieder predigt er, dass die Kirche näher zu den Menschen muss - eine Forderung, die er selbst lebt.
Auch deshalb gilt der Papst als Hoffnungsträger. Ihm trauen viele zu, der in den vergangenen Jahren von Skandalen geplagten Kirche neuen Schwung und Mut zu geben. Ob er diesen Erwartungen gerecht werden kann, muss Franziskus jedoch noch unter Beweis stellen. Die Reformen brauchen Zeit, konkrete Ergebnisse kann er nicht vorweisen. Einige Kritiker werfen Franziskus vor, nur äußerlich etwas zu ändern, die Kirche jedoch nicht wirklich zu reformieren. Auch sein neuer Stil und seine unkonventionelle Art kommen nicht überall gut an.
Anwalt der Armen
Der Argentinier, dem im Alter von 21 Jahren wegen einer schweren Pneumonie ein Teil der rechten Lunge entfernt wurde, wuchs in bescheidenen Verhältnissen auf. Als junger Mann ging Bergoglio, der begeisterter Fußballfan und Tangotänzer ist, in ein Priesterseminar.
Schon vor seiner Wahl zum Papst galt der damalige Erzbischof von Buenos Aires als Anwalt der Armen - ein Ruf, den er in den ersten Monaten seiner Amtszeit zementierte. Er wetterte gegen Geldgier und Korruption, forderte Finanzreformen und sprach immer wieder armen, arbeitslosen oder benachteiligten Menschen Mut zu. Bei seiner ersten großen Auslandsreise nach Brasilien im Juli besuchte er in Rio de Janeiro Suchtkranke und eine Favela im Norden der Stadt.
Und auch vor den verkrusteten Strukturen der Kurie schreckt Franziskus nicht zurück und beginnt den dringend reformbedürftigen Verwaltungsapparat umzukrempeln. Der junge Staatssekretär Pietro Parolin und ein achtköpfiges Gremium an der Kirchenspitze bringen frischen Wind. Auch die skandalgeplagte Vatikanbank steht ganz oben auf seiner Reform-Agenda, eine Kommission überwacht ihre Arbeit.
Zwar gilt der Papst als einer, der streng im Glauben und durchaus auch konservativ ist, mit seinen Aussagen nährte er jedoch die Hoffnungen auf einen Richtungswechsel in der Kirche. Homosexuelle und Geschiedene will er nicht verurteilen, das machte der Papst immer wieder deutlich. "Wenn jemand Gott mit gutem Willen sucht, wer bin ich, dass ich urteile?", sagte er. Mit einer weltweiten Umfrage will er die Haltung von Katholiken zu heiklen Familienthemen herausfinden.
Und auch gegenüber seiner Kirche ist der gelernte Chemietechniker nicht unkritisch. Schon vor seiner Wahl hatte Bergoglio sie in einer Brandrede als egozentrisch angeprangert, wenige Monate später sparte er in seinem ersten großen Interview nicht mit klaren Worte. "Wir können uns nicht nur mit der Frage um die Abtreibung befassen, mit homosexuellen Ehen, mit den Verhütungsmethoden. Das geht nicht", sagte er und verlangte nicht weniger als eine Wende im alten Denken.
Von Miriam Schmidt, dpa - Bild: Gabriel Bouys, afp