Wenn sie in den Parks um Birmingham in Großbritannien mit ihren Brüdern herumtollt und mit ihren Eltern picknickt, dann ist sie ein Mädchen wie viele andere.
Doch Malala Yousafzai ist mit ihren 16 Jahren längst nicht nicht mehr mit den Maßstäben zu messen, die an Gleichaltrige angelegt werden - seit ihr die Taliban im vergangenen Jahr bei einem Anschlag ins Gesicht schossen und sie den anschließenden Kampf ums Überleben gewann, ist Malala eine Ikone. Das Jahr 2013 ist das Jahr des Aufgehens ihres Sterns.
Malala sprach vor den Vereinten Nationen, sie sammelte internationale Auszeichnungen am Fließband und hätte um ein Haar noch den Friedensnobelpreis erhalten. Sie war bei Präsident Barack Obama zu Hause im Weißen Haus und bei Queen Elizabeth II. im Buckingham Palast. Das kluge Mädchen, das nach außen schon so reif und erwachsen wirkt, das Interviews in aller Welt gibt und den Taliban mutig die Stirn bietet, will einmal Ministerpräsidentin ihres Landes Pakistan werden. Die 2007 ermordete Benazir Bhutto ist ihr Vorbild. "Ich spreche nicht für mich, sondern um denjenigen, die keine Stimme haben, Gehör zu verschaffen" - wenn sie Sätze wie diesen sagt, dann nimmt man ihre Ambitionen ernst.
Das pakistanische Swat-Tal war lange Zeit in der Hand der Taliban. Deren radikal-islamische Lehre stellt Bildung für Frauen unter Strafe. Malalas Vater Ziauddin, der eine Schule im Swat-Tal betreibt, schickte sie dennoch in den Unterricht. Und sie dankte es ihm: "Sie war gottbegnadet", erinnert sich ihr Englisch-Lehrer Fazal Khaliq an das begabte Mädchen. "Ich kenne Malala seit ihrer Kindheit", sagt der 40-Jährige. Er beschreibt seine ehemalige Schülerin als "sehr herausragend, sehr mutig, sehr tapfer".
"Wer ist Malala?"
Malala war schon im Alter von elf Jahren bekanntgeworden. Unter einem Pseudonym hatte sie für den Sender BBC ein Tagebuch in Urdu geführt - über das Leben unter dem strikten Gesetz der Scharia, über den Bürgerkrieg und das Morden in ihren so geliebten Bergen des Swat-Tals. Ihre wahre Identität gab Malala erst preis, als die Taliban offiziell vertrieben waren. Die Gotteskrieger fühlten sich so sehr von ihr provoziert, dass sie zurückkamen und ihren Schulbus am 9. Oktober 2012 überfielen. "Wer ist Malala?", soll einer der Angreifer gefragt haben. Dann schoss er dem Mädchen kaltblütig in den Kopf.
Es folgte eine Odyssee mit mehreren Notoperationen - schließlich wachte die 16-Jährige im britischen Birmingham wieder auf, in einem Bett des Queen-Elizabeth-Krankenhauses. Sie hatte Glück: Die Kugel war ihr quer durch den Schädel gedrungen, hatte aber nicht das Hirn verletzt. Die Ärzte stellten sie wieder her. Im Gesicht sieht man noch Narben, das Gehör ist geschwächt. Doch Malala hat gekämpft - und tut dies weiterhin.
Malala kämpft in Europa für ihre Sache, zum Beispiel mit Auftritten in Jahresend-Talkshows. Sie kämpft aber auch in ihrer pakistanischen Heimat, wohin sie möglichst schnell zurückwill. In der Schule ihres Vaters in der Distrikthauptstadt Mingora erinnert schon jetzt ein überlebensgroßes Plakat an die junge Frau. Malalas Cousin Fakhrul Hassan unterrichtet dort Biologie an der Jungenabteilung der Khushal-Schule.
"Wir sind stolz auf sie", sagt der 30-jährige Hassan. Er weiß aber auch: Malala hat in Pakistan noch immer viele Gegner. "Das sind ungebildete Leute", sagt Hassan. Auch Neider seien darunter, die Malala ihre plötzliche Prominenz nicht gönnten. Religiöse Eiferer würden das engagierte Mädchen ohnehin ablehnen, und die Taliban bedrohten sie weiterhin. Dennoch habe Malalas Vater gesagt, sie wollten versuchen, in einem Jahr in ihre Heimat zurückzukehren.
"Jetzt wäre ihre Rückkehr nicht möglich", sagt auch Malalas Cousin und Fakhruls Bruder Mehmoud Hassan. Auch wenn die Sicherheitslage im Swat-Tal derzeit gut wäre, laufe Malala Gefahr, wieder zum Anschlagsziel zu werden. Für ihn sei Malala "wie eine Schwester". "Ihr Kampf ist großartig", sagt der 34 Jahre alte Verwaltungschef der Khushal-Schule. Ob er enttäuscht gewesen sei, dass Malala den Friedensnobelpreis nicht bekommen habe? "Das macht für uns keinen Unterschied", sagt Hassan. "Sie ist unser Nobelpreis."
Von Can Merey und Michael Donhauser, dpa - Bild: Paul Ellis, afp