Elf Monate nach dem Säureanschlag auf den Ballettchef des Moskauer Bolschoi Theaters hat ein Gericht den Tänzer Pawel Dmitritschenko zu sechs Jahren Straflager verurteilt. Richterin Jelena Maksimowa sprach den 29 Jahre alten Solisten am Dienstag schuldig, das Attentat auf Sergej Filin (43) organisiert zu haben. Der Tänzer hatte sich am Führungsstil seines Chefs gestört.
Der 35 Jahre alte Täter, der Filin mit Säure das Gesicht und die Augen verätzt hatte, muss zehn Jahre in ein Straflager, wie die Agentur Rapsinews meldete. Ein Komplize wurde zu vier Jahren Lagerhaft verurteilt. Das Verbrechen hatte in der internationalen Kulturszene großes Entsetzen ausgelöst, auch in den deutschen Ballettcompagnien.
Richterin Maksimowa warf den drei Tätern vor, eine Bande für den Überfall auf den international angesehenen Filin gebildet zu haben. Eigentlich, so führte sie aus, sei es Dmitritschenko wegen dienstlicher Konflikte darum gegangen, seinem Chef eine Lehre zu erteilen. Der Haupttäter hatte betont, dass der Tänzer von dem Plan eines Anschlags mit Schwefelsäure in der Nacht zum 17. Januar selbst nichts gewusst habe.
Dmitritschenko war davon ausgegangen, wie er ausgesagt hatte, dass Filin «nur eine verpasst bekommen sollte, um ihm Angst zu machen». Der Streit zwischen dem Tänzer und seinem Chef am größten Staatstheater des Landes drehte sich gemäß Beweisaufnahme auch um den Kampf um Bühnenrollen. Am Bolschoi bestimmt Filin, wer aus der mit 220 Tänzern größten Balletttruppe der Welt in welchem Stück tanzt. Der Konkurrenzkampf auch um Gastspiele im Ausland ist groß.
Als Beweise dienten dem Gericht auch telefonische Kontakte zwischen den Beschuldigten sowie ein Geständnis des Haupttäters. Für den Auftrag hatte Dmitritschenko laut Urteil 50.000 Rubel gezahlt (rund 1100 Euro). Das Gericht blieb in seinem Fall und im Fall des Komplizen, der den Täter gefahren hatte, unter dem beantragten Strafmaß. Die mögliche Höchststrafe hätte bei zwölf Jahren gelegen.
Außerdem sprach Maksimowa Filin 3,5 Millionen Rubel Schmerzensgeld und Schadenersatz zu. Der Ballettchef hat an der Augenklinik in Aachen bereits mehr als 20 Operationen hinter und noch einige vor sich. Trotz seiner Sehbehinderung hatte Filin, der inzwischen auch einen Leibwächter hat, stets betont, am Bolschoi bleiben zu wollen. Sein Vertrag dort läuft noch bis März 2016.
Ulf Mauder, dpa/mh - Bild: Kirill Kudryavtsev (afp)