Den Vorwurf, Opfer von Antisemitismus geworden zu sein, erheben auch zwei Frauen aus dem Großraum Antwerpen. Ihr Anwalt hat deswegen am Montag Klage vor Gericht eingereicht. Da sich zu dem Fall ausführlich nur eine Seite äußert, ist es schwierig, sich ein eigenes Bild von den Ereignissen zu machen.
Bei den Opfern handelt es sich um zwei Frauen, Cindy und Ruth, beide Anfang 40, die seit zwei Jahren verheiratet sind. Anfang Mai sind sie in ein Mehrfamilienhaus in der Ortschaft Aartselaar im Großraum Antwerpen einezogen. Ruth ist Jüdin, und deshalb haben die beiden Frauen eine so genannte Mesusa, eine Schriftkapsel, an ihrer Tür befestigt - ein religiöser Brauch der Juden.
Allerdings stört das die Nachbarn. Sie fangen an, die Frauen zu belästigen. Die Nachbarn klopfen nachts ohne Grund an die Wohnungstür der Frauen, rufen mehrmals die Polizei, angeblich wegen nächtlicher Ruhestörung. Schnell wird den beiden Frauen klar, worum es den Nachbarn geht: Sie stören sich an der Religion der Frauen.
Ruth erinnert sich: "Sie haben gesagt: Dreckige Juden, ihr habt hier nichts zu suchen. Das, was die Nazis nicht zu Ende bringen konnten, das werden wir zu Ende bringen." Nach drei Wochen ist die Sache eskaliert. Nachbarn haben wieder einmal an die Wohnungstür geklopft, Cindy hat aufgemacht und wurde von den Nachbarn angegriffen. Schläge und Beschimpfungen sind auf sie eingeprasselt. Cindy musste ins Krankenhaus gebracht werden und nach den ersten Hilfsmaßnahmen wurde beschlossen, sie zwei Wochen lang in der Klink zu behalten.
Die Polizei nahm den Vorfall gelassen. Erst nach dem zweiten Anruf rückte sie überhaupt aus, interessierte sich vor Ort kaum für die Opfer, sprachen in Ruhe mit den Angreifern. Konsequenzen haben die Polizisten nicht gezogen. Deshalb ist Ruth selbst zum Kommissariat gegangen, um Anzeige zu erstatten. Dort kam sie erst gar nicht dazu, ihr Anliegen vorzutragen. Als sie anfing zu sprechen, wurde sie von dem Beamten hinter dem Empfangsschalter unterbrochen: "Wir sind hier in Flandern, hier spricht man Niederländisch, kein Französisch, kein Englisch". Ruth fühlte sich vor den Kopf gestoßen. Vor allem, weil im Hintergrund noch zwei andere Polizisten saßen - und auf die Worte ihres Kollegen nicht reagiert hätten.
Zu diesen Anschuldigungen schweigt die Polizei in Aarselaar und zu den Vorfällen der Aggression hat sie eine andere Version: Cindy, das Opfer, sei betrunken gewesen, und außerdem hätte sie die Nachtruhe gestört. Dabei war es halb elf am Vormittag, und eine Blutuntersuchung hat es nicht gegeben.
Andere nehmen die Sache nicht so einfach auf die leichte Schulter. Der Bürgermeister von Antwerpen, Bart De Wever von der nationalistischen N-VA, hat die beiden Frauen vergangene Woche bei sich empfangen, das Innenministerium der Föderalregierung ist informiert, die Polizei wird wohl eine interne Untersuchung anstellen.
Cindy ist mittlerweile zurück aus dem Krankenhaus. Die beiden Frauen sind aus der neuen Wohnung wieder ausgezogen. Und als ob sie nicht schon genug Sorgen hätten, sollen sie jetzt auch noch viel Geld deshalb bezahlen. Der Vermieter verlangt angeblich 22.000 Euro Entschädigung - wegen vorzeitiger Kündigung des Mietvertrags.