Nach der Enthüllung großangelegter Internet-Spionage der US-Regierung hofft der nach Hongkong geflohene Informant auf Asyl. Auf diese Weise will sich der 29-jährige Techniker Edward Snowden einer Auslieferung in die USA entziehen. Der ehemalige CIA-Mitarbeiter, der zuletzt beim Abhördienst NSA im Einsatz war, enttarnte sich am Sonntag selbst.
Snowden floh mit geheimen NSA-Dokumenten von Hawaii nach Hongkong und übergab sie den Medien. Er wolle mit dem Geheimnisverrat die ausufernde Überwachung öffentlich machen, sagte Snowden dem britischen "Guardian". Er suche nun "Asyl bei jedem Land, das an Redefreiheit glaubt und dagegen eintritt, die weltweite Privatsphäre zu opfern", erklärte Snowden der "Washington Post".
Snowden könnte mit einem Asylantrag in der Hafenmetropole viel Zeit gewinnen. Er könne sich auf diese Weise zumindest vorübergehend gegen einen Auslieferungsantrag aus den USA wehren, erklärte der Asienexperte der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch in Hongkong, Nicholas Bequelin, der Nachrichtenagentur dpa. Bislang scheint Snowden aber keinen Asylantrag gestellt zu haben. Der Reporter der britischen Zeitung "Guardian", der ihn in einem Hongkonger Hotel interviewt hatte, sagte der "South China Morning Post", es habe bislang keinen Kontakt zwischen Snowden und den Behörden Hongkongs oder der USA gegeben.
In Washington wurden erste Rufe nach einer Auslieferung Snowdens laut. Der Republikaner Peter King, Mitglied im Geheimdienstausschuss des Abgeordnetenhauses, forderte, erste Schritte für eine Überstellung in die USA einzuleiten. Er rief außerdem zu einer "Strafverfolgung mit der vollen Härte des Gesetzes" auf, sollten die anlaufenden Ermittlungen Snowden als Informanten bestätigen.
Snowden war nach eigenen Angaben die vergangenen vier Jahre als Mitarbeiter externer Unternehmen bei der NSA tätig. Nach den von ihm enthüllten Dokumenten sammelt der US-Geheimdienst in großem Stil Daten bei Internet-Diensten wie Google, Facebook, Microsoft, Apple und Yahoo. Das Programm trägt demnach den Codenamen "PRISM".
"Ich will nicht in einer Welt leben, in der alles was ich mache und sage aufgenommen wird", sagte Snowden dem "Guardian". Er zeichnete eine noch größere Dimension der Datensammlung als die von ihm enthüllten Dokumente andeuten: "Die NSA hat eine Infrastruktur aufgebaut, die ihr erlaubt, fast alles abzufangen." Damit werde der Großteil der menschlichen Kommunikation automatisch aufgesaugt. "Wenn ich in ihre E-Mails oder in das Telefon ihrer Frau hineinsehen wollte, müsste ich nur die abgefangenen Daten aufrufen. Ich kann ihre E-Mails, Passwörter, Gesprächsdaten, Kreditkarten-Informationen bekommen."
Snowden war nach eigenen Angaben erst technischer Assistent bei der CIA und agierte danach bei der NSA, die auf Überwachung von Kommunikations-Infrastruktur spezialisiert ist, als Mitarbeiter mehrerer externer Unternehmen wie die Unternehmensberatung Booz Allen Hamilton und der PC-Hersteller Dell. Booz Allen bestätigte am Sonntag, dass Snowden ein in Hawaii stationierter Mitarbeiter war - weniger als drei Monate lang. Der Arbeitgeber distanzierte sich von ihm: Die Berichte über einen Geheimnisverrat seinen "schockierend" und "eine Verletzung der Grundwerte unserer Firma".
Die US-Regierung hatte erst wenige Stunden vor Veröffentlichung der Interviews eine ausufernde Daten-Sammlung mit Hilfe von "PRISM" bestritten. ""PRISM" ist kein geheimes Programm zum Sammeln oder Aufsaugen von Daten", erklärte der nationale Geheimdienstdirektor James Clapper. "Es ist ein internes Computersystem der Regierung." Es diene dazu, das gesetzlich erlaubte Sammeln von Informationen bei der Auslandsaufklärung zu unterstützen.
Informant Snowden findet Unterstützer in Island
Der Amerikaner Edward Snowden, der hinter den jüngsten Berichten über ausufernde Internet-Spionage der USA steckt, kann auf Unterstützung in Island hoffen. Das Internationale Moderne Medieninstitut (International Modern Media Institute) in Reykjavík will dem 29-Jährigen helfen, die Chancen auf Asyl in Island auszuloten.
"Wenn er ernsthaft in Island um Asyl suchen will, dann stehen wir an seiner Seite", sagte der Direktor des Instituts, Smári McCarthy, der dpa. Zurzeit versuche man, Kontakt zu Snowden zu bekommen. In einem Interview mit der britischen Zeitung "The Guardian" hatte er Interesse an einem Asyl in Island bekundet.
Das isländische Innenministerium hat noch keinen entsprechenden Antrag vorliegen. Den könne er auch nur stellen, wenn er sich bereits im Land aufhält, betonte Ministeriumssprecher Johannes Tomasson. "Asylgesuche können sich über Monate hinziehen. Das hängt davon ab, wie komplex der Fall ist und wie viele zusätzliche Dokumente und Informationen wir von anderen Ländern benötigen."
Das Internationale Moderne Medieninstitut, das sich für die Freiheit von sogenannten "Whistleblower" einsetzt, die Missstände aufdecken, will das Szenario eines Asylantrags in den nächsten Tagen durchspielen. "Wenn wir Zweifel haben, dass Island der sicherste Ort ist, werden wir versuchen, ein Land zu finden, das sicherer ist", sagte Smári McCarthy.
dpa/jp - Bild: Philippe Lopez (afp)