Soziale Isolation bis hin zu offenen Anfeindungen: Schwule, Lesben, Bisexuelle und Transgender haben in Europa noch mit einigen Problemen zu kämpfen. Es gebe noch großen Aufholbedarf bei der gesellschaftlichen Akzeptanz. Das zeigt eine Studie der EU-Grundrechte-Agentur (FRA), die an diesem Freitag, dem Tag gegen Homophobie, in Den Haag vorgestellt wurde.
Danach erlebte fast die Hälfte aller Befragten (47 Prozent) im vergangenen Jahr eine Diskriminierung wegen ihrer sexuellen Orientierung. Viele verheimlichen ihre Neigung deshalb. Sechs Prozent der Befragten erzählten von körperlichen Angriffen in den vergangenen zwölf Monaten, die zum Teil in der eigenen Familie stattfanden. Frauen wurden außerdem häufiger Opfer von sexuellen Übergriffen.
Nur etwa jeder fünfte Zwischenfall bei der Polizei angezeigt
Doch nur etwa jeder fünfte Zwischenfall wurde bei der Polizei angezeigt. Viele Betroffene zweifeln laut der Studie, dass sich dadurch etwas verbessern könnte. "Ich erlebe so viel Diskriminierung, Belästigung und Gewalt, dass es zu meinem Alltag geworden ist", sagte ein 25-jähriger bisexueller Transgender aus Litauen in der Befragung. Transsexualität bezeichnet das Gefühl, mit dem falschen Geschlecht auf die Welt gekommen zu sein. Betroffene bevorzugen die Bezeichnung Transgender, da diese nicht den Anschein erweckt, es handele sich um ein sexuelles Problem. Ihnen geht es um ihre Identität.
Insgesamt nahmen über 93.000 Menschen aus der gesamten EU und Kroatien im vergangenen Jahr an der nicht repräsentativen Online-Studie teil. Alle Befragten waren über 18 Jahre und bezeichneten sich als Transgender, homo- oder bisexuell. Mit über 20.000 kamen die meisten Antworten aus Deutschland.
Selten offen ihre Zuneigung gezeigt
Die Betroffenen zeigen den Angaben zufolge selten offen ihre Zuneigung. Zwei Drittel (66 Prozent) der Studienteilnehmer sagten, sie vermieden es, in der Öffentlichkeit Händchen zu halten - aus Angst vor den Konsequenzen.
Die EU-Organisation fordert deshalb, dass Polizisten verstärkt geschult werden, um mit der Thematik besser umgehen zu können. Sollte es zu Übergriffen wegen der sexuellen Orientierung kommen, sollte dies erschwerend bei der Strafe berücksichtigt werden. Ähnlich wie es bei rassistisch motivierten Taten bereits in einigen Ländern gemacht wird. Gesetzeslücken, etwa bei Diskriminierungen im Mietrecht oder bei Dienstleistungen, sollten in der gesamten EU einheitlich geschlossen werden.
Vorreiter in Europa, was die Rechte für Homosexuelle und Transgender angeht, sind nordische Länder wie Dänemark, Schweden und Großbritannien. Dort setzte die Politik bereits eigene Aktionspläne ein. Trotzdem gibt es laut den Studienautoren auch dort noch Nachholbedarf.
Die ersten negativen und für viele schlimmsten Erfahrungen sammelten Betroffene in ihrer Jugend. Vielfach wurde die Schulzeit in der Studie als "Hölle" bezeichnet. 91 Prozent der Befragten gaben an, sie hätten erlebt, dass Mitschüler schlecht behandelt wurden, nur weil sie für schwul oder lesbisch gehalten wurden. Ein Großteil behielt daher seine Neigung während der Schulzeit für sich.
Diskriminierung in der Arbeitswelt
In der Arbeitswelt berichten Betroffene ebenfalls von Problemen: Jeder fünfte Befragte erlebte am Arbeitsplatz oder schon bei der Suche nach einem Job Diskriminierung. "Mein Verhalten in der Arbeit beinhaltet einiges an Selbstzensur und zurückhaltendes Auftreten", sagte ein 31-jähriger schwuler Mann aus Deutschland.
Am stärksten sind Transgender betroffen. Sie gaben am häufigsten an, intolerantem Verhalten in der Berufswelt und im Gesundheitswesen ausgesetzt gewesen zu sein.
Öffentliche Unterstützung von Politikern habe große Vorbildwirkung. In Ländern, in denen sich Politiker selbst abwertend über Homosexualität äußerten, fühlten sich Befragte häufiger diskriminiert.
Doch auch die eigene Offenheit kann laut Studie zu mehr Akzeptanz führen: Geoutete Menschen in allen Ländern berichteten demnach von weniger Diskriminierung als jene, die nicht offen mit ihrer Neigung umgingen.
EU verurteilt Diskriminierung von Homosexuellen
EU-Kommissarin Viviane Reding hat die Diskriminierung von Homosexuellen in Europa scharf verurteilt. "Diskriminierung und Gewalt gegen Homosexuelle ist eine Verletzung der Menschenwürde und unvereinbar mit den europäischen Grundwerten", sagte die Justizkommissarin am Freitag auf der ersten europäischen Konferenz zur Gleichstellung von Homosexuellen in Den Haag.
Nach der auf der Konferenz zum internationalen Tag gegen Homophobie präsentierten Studie ist Diskriminierung von Homosexuellen in der EU noch weit verbreitet. Die Studie sollte die EU-Mitgliedsstaaten aufrütteln, sagte Reding.
Minister aus elf Ländern riefen auf der Konferenz die EU auf, stärker gegen Diskriminierung von Homosexuellen vorzugehen. "Die EU sollte eine führende Rolle spielen und Diskriminierung angehen", heißt es in dem Aufruf, den Minister aus Polen, den Niederlanden, Großbritannien und anderen Ländern unterzeichneten.
Sandra Walder, dpa/est - Archivbild: epa