
Viele Eltern machen sich Sorgen, ob ihr Kind nicht doch stärker leidet als allgemein üblich. Jugendliche können eine sogenannte schwere depressive Episode entwickeln. Jeder dritte Jugendliche durchlebt während der Pubertät Stimmungsschwankungen. Diese äußern sich in Interessenlosigkeit, mangelndem Selbstbewusstsein, Ängsten oder Antriebslosigkeit. Schwierig, aber durchaus normal und auch nicht weiter tragisch.
Weitaus bedenklicher wird es, wenn sich daraus eine sogenannte "schwere depressive Episode" entwickelt. Zwischen fünf und sieben Prozent der Jugendlichen zwischen zwölf und 18 Jahren sind in Belgien davon betroffen. Der wichtigste Unterschied ist, dass die genannten Symptome stärker und immer wiederkehrend sind, also nahezu täglich auftreten. Hinzu kommen starke Gewichtszu- oder abnahmen, Selbstmordgedanken bis hin zu Selbstmordversuchen.
Für jeden heranwachsenden Jugendlichen gibt es drei Schlüsselakteure: Schule, Freunde und Eltern. Der Jugendliche lernt, Erwachsen zu werden, seine Rolle in der Gesellschaft zu erarbeiten und seine eigene Identität zu schaffen. Doch das ist nicht immer einfach und kann den Jugendlichen schwer belasten. Es kann dabei bis hin zur genannten schweren depressiven Episode gehen.
Doch wie erkennt man den Übergang von der einen zur anderen Phase? Aurore Boulard, Psychologin an der Uni Lüttich hat in einer Studie Statistiken und klinische Berichte ausgewertet. Für sie gibt es mehrere auslösende Faktoren, an deren Ende das sogenannte "Titanic-Syndrom" steht: ein langsam fortschreitendes Versinken des Jugendlichen in die Depression.
Fünf Elemente auf die man besonders achten sollte
Erstens: Der depressive Jugendliche entwickelt ein sogenanntes prosoziales Verhalten. Durch gesteigerte Höflichkeit, Aufmerksamkeit und Hilfsbereitschaft versucht er seine sozialen Bindungen aufrecht zu erhalten. Das kann aber dazu führen, dass man seiner überdrüssig wird und ihn ablehnt.
Zweitens: Enge Freundschaften spielen eine sehr große Rolle. Gehen diese auseinander, beispielsweise wegen eines Streits, oder weil der andere in eine andere Stadt zieht, kann das den Jugendlichen schwer belasten.
Drittens: Wie empfindet der Jugendliche seine pubertäre Entwicklung im Vergleich zu anderen? Ist jemand weiter oder hinkt er den anderen hinterher? Das kann verunsichern oder sogar isolieren, erklärt Aurore Boulard.
Viertens: Viele depressive Jugendliche haben traumatische Erfahrungen oder familiäre Probleme erlebt - Todesfälle oder schwere Krankheiten in der Familie, Trennungen. In solchen Fällen fehlt es ihnen oft an Aufmerksamkeit und emotionaler Wärme. Paradoxerweise sind Eltern in solchen Situation überregulierend und streng.
Und fünftens: Die Rolle der Schule ist enorm entscheidend. Dort kann es zu Mobbing, verbaler und körperlicher Gewalt kommen. An der Schule können sich die Schwierigkeiten anhäufen. So kommt Aurore Boulard auch zu dem Schluss, dass gerade die Schulen helfend und unterstützend eingreifen sollen.
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