Sich aufs Altenteil zurückzuziehen und in Ruhe das Rentnerleben zu genießen, das war noch nie Yuichiro Miuras Sache. Mit 70 Jahren kletterte der Japaner als damals ältester Menschen der Welt auf den 8850 Meter hohen Mount Everest. Mit 75 noch mal.
Jetzt, mit 80, will er es erneut wagen - trotz Herzproblemen. Damit würde er den Rekordhalter, den Nepalesen Min Bahadur Sherchan, übertrumpfen, der es 2008 mit 76 Jahren als ältester Mensch auf den Gipfel schaffte.
"Das ist das absolute Anti-Aging", sagt der kraftstrotzende Japaner vor seiner Abreise in dieser Woche nach Nepal und lächelt fröhlich. Es gehe ihm bei dem im Mai geplanten Aufstieg nicht so sehr um den Rekord, sondern um die Herausforderung. Auf diese Weise steigere er seinen "Mut, Ausdauer und Durchhaltewillen" - und verschaffe sich so das ultimative Mittel gegen das Älterwerden.
Der Mount Everest hat Miura schon früh in den Bann gezogen. 1970 machte er weltweit Schlagzeilen, als er den Berg als erster Mensch aus 8000 Metern Höhe auf Skiern herunter fuhr. Von seiner Abfahrt mit Hilfe eines Fallschirms, die er fast mit dem Leben bezahlt hätte, handelt der Film "The Man Who Skied Down Everest" von 1975, der den Oscar als bester Dokumentarfilm gewann.
Zum vierten Mal 20 Jahre alt
Das Ausloten seiner Grenzen liegt ihm im Blut. Sein Vater Keizo war im stolzen Alter von 99 Jahren den Montblanc, mit 4810 Metern der höchste Berg der Alpen, auf Skiern herabgefahren. Der Ski-Pionier starb vor sieben Jahren im Alter von 101 Jahren. Auch Sohn Yuichiro fühlt sich alles andere als betagt: "Ich bin zum vierten Mal 20 Jahre alt", scherzt der 80-Jährige - und man will es ihm glauben.
Dabei hat Miura immer wieder mit Herzrhythmusstörungen zu kämpfen. Im Januar wurde er zum vierten Mal operiert - gerade noch rechtzeitig, wie er sagt, um sich auf seine neue Everest-Expedition vorzubereiten. "Auch als ich 70 war und genauso mit 75 habe ich mich gefragt, ob ich es wohl schaffen würde. Aber ich habe es versucht und geschafft", erzählt der Japaner. Auch ein Skiunfall 2009, bei dem er sich den Beckenknochen und den rechten Oberschenkel brach, konnte Miura nicht davon abbringen, weiter seine Grenzen zu testen. Auf die Idee, den Gipfel des Everest zu erklimmen, kam er im Alter von 65 - wenn andere Menschen beginnen, das Leben ruhiger anzugehen.
"Das Wichtigste ist, nicht aufzugeben, auch wenn man Herzprobleme hat", sagt Miura der Deutschen Presse-Agentur beim Training in seiner "Basislager" genannten Zentrale mitten in der Hauptstadt Tokio. Dort hat er sich einen Raum mit Laufmaschine eingerichtet, wo er den Sauerstoffgehalt so einstellen kann, dass es den Bedingungen in einer Höhe von 6000 Metern entspricht. Begleitet bei seiner erneuten Everest-Expedition wird er von seinem 43-jährigen Sohn Gota, einem mehrfachen Olympiateilnehmer im Skifahren. Die Muskelkraft seines Vaters sei heute stärker als sie im Alter von 70 war, sagt er.
Yuichiro Miura trainiert oft mit Gewichten an den Fußgelenken und auf dem Rücken. Wegen des Übertrainings hat sich sein Herzproblem zuletzt verschlimmert. "Das Risiko kann ich nicht noch einmal eingehen", erzählt der Japaner. Daher will er sich diesmal am Mount Everest Zeit lassen und es langsam angehen. Doch Miura wäre nicht Miura, wenn er für die Zeit nach seiner Everest-Expedition nicht auch schon eine neue Herausforderung im Sinn hätte: Er wolle als nächstes auf Skiern vom Gipfel des Achttausenders Cho Oyu herabfahren, verrät der Japaner der dpa.
Von Lars Nicolaysen, dpa - Bilder: Toru Yamanaka, Miura Dolphins (afp)