Erbittert kämpfen Zehntausende Arbeiter in Moskau gegen die extremen Schneemassen an. Mit aller Macht wehrt sich der ohnehin harte Winter gegen seinen Abschied, sorgt für Chaos auf den Straßen. Allein am Montag fallen in der russischen Hauptstadt mindestens 70 Zentimeter Neuschnee. "Das ist ein Rekordwert", meinen Moskauer Wetterexperten.
Auf den mehrspurigen Stadtautobahnen, den wichtigen Verkehrsadern, ist kein Durchkommen. Die "Schneehölle" sorgt für Dutzende Kilometer Stau. Sogar Kremlchef Wladimir Putin schaltet sich ein und lässt den Zivilschutz "alle verfügbaren Kräfte" mobilisieren.
"Lasst Eure Privatwagen stehen", flehen die Behörden die autobegeisterten Moskauer an. Zu groß ist die Unfallgefahr, auch wegen der schlechten Sicht. Liegengebliebene Autos würden zudem Räumfahrzeuge blockieren. Doch die meisten weichen ohnehin freiwillig auf die Metro aus: Zahlreiche Autos sind unter hohen Schneehügeln begraben.
Der Zivilschutz warnt vor Schäden an Stromleitungen. Gefahr droht auch durch Schneelawinen, die von Hausdächern abgehen, oder herunterstürzende Eiszapfen. "Wir arbeiten wie in einem Ausnahmezustand", berichtet ein Beamter der Zeitung "Kommersant". Bürgermeister Sergej Sobjanin gibt sich hingegen demonstrativ gelassen. "Ich bin sicher, dass die Stadt einen normalen Ablauf garantieren kann", sagt das Oberhaupt von mindestens zwölf Millionen Moskauern. Wenig Probleme melden die drei Flughäfen: Nur rund ein Dutzend Maschinen wurden zu andere Airports umgeleitet - im dichten Schneetreiben war eine Landung zu riskant.
Jahrhundert-Sturm
Schnee, Schnee, Schnee - seit Sonntagmorgen hält ein Jahrhundert-Sturm, wie Meteorologen das Wetterphänomen nennen, die größte Stadt Europas in Atem. Rund ein Drittel des durchschnittlichen März-Schneefalls ist allein in dieser Zeit vom Himmel gefallen. Seit 60 Jahren hab es so etwas nicht gegeben, meint Vizebürgermeister Pjotr Birjukow.
Den Spaß an der weißen Pracht haben die meisten Moskauer verloren. Zu Fuß kämpfen sich viele auf dem Weg zur Metro oder zur Arbeit durch die dichten Schneemassen. Dazu kommt immer wieder ein starker, kalter Wind, der den Schnee ins Gesicht peitscht. Die Böen sorgen für extreme Verwehungen. Straßenkehrer sind im Dauereinsatz - kaum ist ein Weg geräumt, müssen sie vom anderen Ende wieder von neuem anfangen. Nur die Skifahrer freuen sich über die Winter-Verlängerung.
Der Schneesturm ist über ganz Zentralrussland hereingebrochen. Auch die Ukraine ist weiter stark betroffen - in der Hauptstadt Kiew dauert der Ausnahmezustand an. "Wir Moskauer haben sogar noch Glück gehabt", meint der Meteorologe Boris Birman. "Das Zentrum des Zyklons hängt über russischen Städten wie Kursk, Woronesch und Wolgograd." Dort lähmt der Schnee zum Teil das öffentliche Leben.
In Kursk, rund 500 Kilometer südlich von Moskau, kommen die Behörden nicht mehr mit dem Schneeschippen hinterher. Die Einwohner sollten doch bitte selbst zur Schaufel greifen. Die Regierungszeitung "Rossijskaja Gaseta" greift als letzte Maßnahme zu Volksweisheiten. "Falls es Ende März kalt ist, wird es im Sommer warm", schreibt das Blatt und versucht sich als Mutmacher.
Von Benedikt von Imhoff, dpa - Bild: Natalia Kolesnikova, afp