Kann es eine katholische Kirche ohne Priester geben? In etlichen Gemeinden stellt sich inzwischen diese drängende Frage.
Bis 2020 - so eine Schätzung der Bistümer - wird es in zwei Dritteln der Gemeinden keinen Priester mehr geben. Das heißt keinen Sonntagsgottesdienst mit Eucharistie, kein Spenden der Sakramente.
An der Basis wächst der Unmut. Und die Kirchenleitungen suchen händeringend nach Auswegen. «Die Laien sollen mehr Verantwortung übernehmen», gibt der Vorsitzende der deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Robert Zollitsch, die Richtung vor.
Darin sieht auch Alois Glück, Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), den Ausweg. «Es gibt noch viele Einsatzmöglichkeiten für Laien in der Gemeindeführung.» Allerdings muss sich dafür seiner Ansicht nach die Kultur ändern. Über Jahrzehnte waren die Gemeinden auf ihren Priester zentriert. Was von den Geistlichen früher durchaus genossen wurde, wird jetzt zusehends zur Belastung. Weil sie für immer mehr Gemeindeglieder zuständig sind, wächst den Priestern die Arbeit über den Kopf. Sie werden weder sich noch den Gläubigen gerecht.
Wer soll, wer darf, wer kann?
Die Laien - alle Getauften und Gefirmten - könnten helfen. «Grundsätzlich können sie alle Aufgaben übernehmen, die nicht mit der Weihe verbunden sind», erläutert Magnus Lux vom Bundesteam «Wir sind Kirche». Darunter fallen Verwaltung und Finanzangelegenheiten, Seelsorge und Wortgottesdienste.
Die Bischofskonferenz setzt beim Kampf gegen den Priestermangel zunehmend auf Geistliche aus dem Ausland. Mehr als jeder zehnte der knapp 14.000 aktiven Priester in Deutschland ist kein Muttersprachler. Die meisten von ihnen kommen aus Polen und Indien. Mentalitäts- und Sprachprobleme führen nicht selten zu einer gewissen Distanz mit der Gemeinde. «Zudem ziehen wir Priester aus Ländern ab, die sie selbst brauchen», kritisiert Christian Weisner von «Wir sind Kirche».
Import ist deshalb für viele Katholiken keine Lösung. Vielmehr sollte das vorhandene Potenzial genutzt werden: verheiratete Priester und Frauen. Doch der Vatikan hält eisern am Zölibat fest und das Spenden der Sakramente bleibt in Männerhand - Ende der Diskussion.
Widerstand von der Basis?
Damit sieht der Jesuit und Sozialethiker Friedhelm Hengsbach nur noch einen Ausweg: Aufruf zum Widerstand. «Die Katholiken müssen sich selbstständig machen, sich einfach zusammensetzen und das Brot brechen», sagt er und zitiert ein Jesuswort: «Wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, da bin ich mitten unter ihnen.» Jetzt helfe nur noch die Konfrontation, «in der Hoffnung, dass den Kirchenleitenden die Knie weich werden».
Der Blick in die Zukunft lässt erahnen, dass sich die Lage weiter zuspitzen wird. Die Zahl der Neupriester ist dramatisch gesunken. Erschwerend kommt hinzu, dass die Mehrzahl von ihnen als konservativ eingeschätzt wird. Sie vertreten ein traditionelles Priesterbild, in dem Laien eher eine untergeordnete Rolle spielen.
dpa - Bild: epa