«Die von materiellen und politischen Lasten und Privilegien befreite Kirche kann sich besser und auf wahrhaft christliche Weise der ganzen Welt zuwenden, wirklich weltoffen sein», gab er den 1500 gebannt lauschenden Zuhörern mit auf den Weg. «Sie kann ihre Berufung zum Dienst der Anbetung Gottes und zum Dienst des Nächsten wieder unbefangener leben.»
Doch konkrete Schritte und Konsequenzen einer - wie es hieß - «Entweltlichung» sind vielen Katholiken, selbst Bischöfen, bis heute nicht klar. Dass Benedikt Relativismus, Individualismus, Egoismus und Gottlosigkeit geißelt, für eine Rückbesinnung auf den Kern des Glaubens eintritt, macht er immer wieder deutlich.
Aber kann seine Kirche, der es an Priestern mangelt und der die Mitglieder scharenweise davonlaufen, das Evangelium glaubhaft verkünden, wenn sie sich aus der Welt zurückzieht? Muss sie sich nicht vielmehr einlassen auf die sich rapide ändernde Lebenswelt der Menschen und deren Sorgen, sich in der Gesellschaft einmischen? Was ist mit ihrem sozialen Engagement, dem Religionsunterricht, den theologischen Fakultäten an den Hochschulen?
Auf diese Fragen muss die Kirche 2012 und in den Jahren darauf Antworten finden.
Die Ökumene
Fortschritte in der Ökumene, im Miteinander von Protestanten und Katholiken, hatten sich so viele gewünscht, gerade im Hinblick auf das 500. Reformationsjubiläum 2017. Ein vielbeachtetes Zeichen setzte Benedikt, als er die Spitze der Evangelischen Kirche in Erfurt traf und den Reformator Martin Luther würdigte. Doch ein ökumenisches Gastgeschenk, wie er sagte, etwa die Möglichkeit gemeinsamer Eucharistiefeiern, brachte Benedikt nicht mit.
Er sprach von einem «Missverständnis» und machte wenig später deutlich, dass er mehr auf Ökumene mit den Orthodoxen als mit den Protestanten setzt. Das Thema bleibt auf der Tagesordnung. Schließlich haben sich Katholiken und Protestanten vorgenommen, 2017 ein großes ökumenisches Fest zu feiern.
Memorandum und Missbrauch
2011 war auch das Jahr des wohl wichtigsten innerkirchlichen Reformimpulses seit Jahrzehnten. Im Februar veröffentlichten hunderte Theologen ein Memorandum, in dem sie etwa die Zulassung von Frauen für das Priesteramt, die Abschaffung des Pflichtzölibats oder mehr Mitbestimmung für das Kirchenvolk forderten.
Auch mit der Aufarbeitung des Missbrauchsskandals versuchte die katholische Kirche, Vertrauen zurückzugewinnen. Im Juli startete ein Forschungsprojekt, um die Hintergründe des jahrzehntelangen Missbrauchs von Kindern und Jugendlichen in kirchlichen Einrichtungen zu analysieren und daraus Lehren für die Zukunft zu ziehen.
dpa - Bild: Claudio Peri (epa)
Die aktuelle Situation der katholischen Kirche erinnert mich zwangsläufig an das "Ancien Régime" vor der Französischen Revolution in Frankreich. Damals wie heute lebte eine Führungselite hinter dicken Mauern und bekam nur wenig mit von Leben der einfachen Menschen. Die Nöte und Sorgen der Menschen schienen weit weg. Damals wie heute gärte es unter den Menschen. Der Wunsch nach Reformen war unüberhörbar, wurde jedoch von den Verantwortlichen nicht gehört oder wollte nicht gehört werden.
Die Aussage des Papstes von der "Entweltlichung der Kirche" erinnert mich an die französische Königin Marie-Antoinette, der man gesagt hatte, dass das Volk kein Brot habe und deswegen rebellierte und die dann angeblich sagte, die Menschen sollten dann eben Kuchen essen statt Brot. Solche Aussagen bezeugen nur eine vollkommen Wirklichkeitsferne und Ahnungslosigkeit bezüglich der Wirklichkeit.