Gunter Sachs ist kein Einzelfall: Obwohl die Zahl der Suizide an sich zurückgeht, nehmen sich immer mehr ältere Männer das Leben. Am Sonntag hatte die Familie von Gunter Sachs mitgeteilt, dass sich der Unternehmer, Künstler und Sammler in der Schweiz das Leben genommen habe - im Alter von 78 Jahren.
In dem von der Familie veröffentlichten Abschiedsbrief schrieb Sachs, er habe erkannt, an der «ausweglosen Krankheit A.» zu leiden, womit er wohl Alzheimer meinte, da er auch schrieb: «Der Verlust der geistigen Kontrolle über mein Leben wäre ein würdeloser Zustand, dem ich mich entschlossen habe, entschieden entgegenzutreten.» Zur Art der Selbsttötung von Sachs machte die Familie keine Angaben.
Auffällig ist, um wie viel wahrscheinlicher eine Selbsttötung mit wachsendem Alter der Männer wird: Umgerechnet auf je 100.000 Menschen der Altersgruppe nahmen sich im Jahr 2009 in Deutschland bei den 75- bis 80-Jährigen 35 Männer das Leben, bei den 80- bis 85-Jährigen 49 und bei den Männern zwischen 85 und 90 Jahren sogar 77 von 100.000.
Im Gegensatz zu Frauen entscheiden sich Männer häufig für sehr gewaltsame Todesarten, wenn sie sich selbst töten. Im Jahr der aktuellsten Statistik griffen 731 Männer zu einer Schusswaffe, aber nur 37 Frauen. Zu einer Stichwaffe griffen 292 Männer und 83 Frauen. Den Tod durch Erhängen, Strangulieren oder Ersticken wählten 3736 Männer. Bei den Frauen waren es 752.
In der Literatur
Die Krankheit Alzheimer, derentwegen sich Gunter Sachs mutmaßlich selbst getötet hat, ist auch in der Literatur zunehmend ein Thema.
- So steht der Österreicher Arno Geiger zurzeit mit einem anrührenden Buch über die Alzheimer-Krankheit seines Vaters auf den Bestsellerlisten. In dem Buch «Der alte König in seinem Exil» schildert der 42-Jährige verschiedene Phasen bei seinem Vater: von den ersten Fehlleistungen bis zum unvermeidlich gewordenen Umzug des alten Mannes in eine Pflegestation.
- Auch der große amerikanische Autor Jonathan Franzen hat sich mit dem Thema Demenz beschäftigt. In seinem Jahrhundertroman «Die Korrekturen» geht es unter anderem um Vater Alfred, der mal Ingenieur bei der Eisenbahn war. Durch seine Parkinson-Erkrankung versinkt der Familienpatriarch zusehends in geistiger Demenz.
- Abschied vom Vater nahm 2009 auch Tilman Jens. In seinem Fall ist es Walter Jens, der frühere brillante Rhetoriker und Geistesmensch. «Ein Genie mag taub werden wie Beethoven, dem Wahnsinn verfallen wie Strindberg, den Freitod wählen wie Hemingway, Celan oder Pavese - vertrotteln aber darf das Genie nicht», schrieb Tilman Jens in dem Buch «Demenz - Abschied von meinem Vater». Auch Ehefrau Inge Jens beschrieb 2009 in ihren «Unvollständigen Erinnerungen» die schwierige Zeit an der Seite ihres demenzkranken Mannes.
- Die ersten Anzeichen der Alzheimer-Erkrankung sind meist unauffällig: ein verlegter Geldbeutel, eine angeschaltet gelassene Herdplatte. Doch in fortgeschrittenem Stadium können sich viele Erkrankte an Begebenheiten erinnern, die lange zurückliegen. In dem Roman «Small World» von Martin Suter bringen solche Flashbacks des alternden Konrad mörderische Intrigen an den Tag.
dpa - Bild: Waltraud Grubitzsch (epa)