Papst Benedikt XVI. rückt von dem strengen Kondom-Verbot des Vatikans ab und öffnet seine katholische Kirche damit einen Spalt weit dem 21. Jahrhundert.
Lange schon war weltweit darauf gewartet worden - vor allem wegen der Immunschwächekrankheit Aids und der verheerenden Folgen ungeschützten Geschlechtsverkehrs, aber auch angesichts der riesigen Kluft zwischen Kirche und Realität. Nun gibt Joseph Ratzinger seinen Kurswechsel vor.
Die Zeit des absoluten Neins zu den Präservativen ist auch für ihn vorbei: «Es mag begründete Einzelfälle geben, etwa wenn ein Prostituierter ein Kondom verwendet, wo dies ein erster Schritt zur Moralisierung sein kann, ein erstes Stück Verantwortung», so argumentiert der Pontifex im Gespräch mit dem Publizisten Peter Seewald.
Spannung: Buch von Papst Benedikt erscheint Mittwoch
Weil dessen Buch erst am Mittwoch erscheint, sind es Auszüge daraus, die Furore machen. Worum geht es dem Oberhaupt der Katholiken? Benedikt hält Kondome doch nicht für die wirkliche und moralische Lösung, sieht aber ihren Einsatz (in Sonderfällen) als möglichen Beitrag dafür an, Sexualität und Verantwortung unter einen Hut zu bringen.
Ob Kondom oder Pille, die Sexualmoral der Kirche hatte immer viel Widerspruch oder Spott auf sich gezogen, und ihr Plädoyer für Sex allein zur Fortpflanzung schien doch Lichtjahre von der Wirklichkeit heute entfernt zu sein.
Die Passage zur Prostitution könnte mehr als explosiv sein, auch weil sich Benedikt hier ganz offen auf männliche Prostituierte und damit auf ein weiteres Tabu-Thema zu beziehen scheint: Den Homo-Sex, den es nach Ansicht der katholischen Kirche gar nicht geben dürfte. Die erste Reaktion von Medien und Beobachtern ist unisono: Es handelt sich um einen bedeutsamen Einschnitt, der außerdem ein neues Licht wirft auf den bislang so scharf kritisierten Papst.
Die Vorab-Auszüge reichten aus, um das Bild, das sich viele von dem deutschen Oberhirten gemacht haben, nun zu revidieren, meint die linksliberale Zeitung «La Repubblica». Andere Medien sprechen von einem «wichtigem Schritt» und «sensationeller Trendwende». Und auch das Anti-Aids-Programm der Vereinten Nationen (UNAIDS) ist voll des Lobes.
Rückblende: Als Benedikt im März 2009 seine erste Reise in das von Aids geplagte Afrika antritt, macht das schon weltweit negative Schlagzeilen, was er auf dem Flug sagt: «Man kann das Aids-Problem nicht durch die Verteilung von Präservativen regeln. Ihre Benutzung verschlimmert vielmehr das Problem.»
Die Brandartikel dagegen waren vor allem im Westen, weniger in Afrika selbst, bereits geschrieben, als er dann in Kameruns Hauptstadt Jaunde landet: «Papst verbietet Kondome.» Die Welle der Entrüstung war riesig, so dass Seewald aus triftigem Grund gerade das Thema bei den Gesprächen aufgebracht hat.
dpa/jd