Die größte Volkszählung der Welt in China stößt auf Hindernisse. Beim Start am Montag weigerte sich so mancher Chinese, die Volkszähler zur Befragung in seine Wohnung zu lassen, oder machte gar nicht erst die Tür auf, wie chinesische Staatsmedien berichteten.
Rund 6,5 Millionen Volkszähler schwärmen über zehn Tage aus, um mehr als 400 Millionen Haushalte zu besuchen. Stichtag ist Montag null Uhr. Wer danach geboren wird, zählt nicht mehr mit. Wer später stirbt, überlebt zumindest in der Statistik.
Die Behörden erhoffen sich Aufschluss über die wahre Größe der Bevölkerung, die auf mehr als 1,3 Milliarden Menschen geschätzt wird. Auch soll der Zensus ein besseres Bild von der raschen Überalterung der Gesellschaft, der Zahl der Kinder oder Wanderarbeiter verschaffen.
Widerstand
In der Bevölkerung regt sich gleichwohl Widerstand gegen diese erste Volkszählung seit zehn Jahren, die mit wachsendem Wohlstand in China zunehmend als Eingriff in den Privatbereich empfunden wird.
Auch wegen der strengen Ein-Kind-Politik wird mit Widerstand gerechnet. Viele Familien wollen dem Zensus entgehen, weil sie ihre zusätzlichen Kinder gar nicht oder an anderen Orten angemeldet haben, um Strafen zu entgehen. Wenig Entgegenkommen wird ferner von den rund 200 Millionen Wanderarbeitern erwartet, die oft in legalen Grauzonen am Rande der Gesellschaft leben und keine feste Adresse haben.
«Die Leute haben heute das Gefühl, dass sie nicht mehr kontrolliert werden sollten», sagte Zhang Yi, Forscher am Bevölkerungsinstitut der Akademie der Sozialwissenschaften der Zeitung «China Daily» «Stattdessen finden sie, dass die Regierung ihnen dienen sollte. Deswegen lehnen sie die Volkszähler ab, solange sie nicht das Gefühl haben, dass ihre Privatsphäre geschützt wird.»
Sicherheitsbedenken
Viele Menschen haben auch Sicherheitsbedenken, jemanden in die Wohnung zu lassen. «Von mehr als 20 Haushalten, die wir besuchten, mussten wir bei fast der Hälfte vor der Tür stehenbleiben», berichtete ein Journalist, der Volkszähler in Zhengzhou (Provinz Henan) begleitete. Meist seien ältere Menschen daheim gewesen. Obwohl sich die Volkszähler ausgewiesen hätten, seien sie vielfach nicht eingelassen worden. «Einige Leute lehnten es sogar ab, die Tür zu öffnen», schrieb der Journalist auf der Webseite des Staatsrundfunks.
Wer sich wiederholt weigert, an die Tür zu gehen, muss aber mit dem Besuch der Polizei rechnen, berichteten Zeitungen. Die Behörden versicherten, dass nicht nach Einkommen und Religion gefragt werde. 90 Prozent der Befragten müssen 18 Fragen beantworten - vom Namen, Geschlecht über Ausbildung bis hin zur ethnischen Zugehörigkeit und Wohnortregistrierung (Hukou), von der in China der Zugang zu sozialen Diensten oder der Schulbesuch der Kinder abhängig ist.
Zehn Prozent müssen sogar 45 Fragen beantworten. Hier geht es auch um Gesundheit, Beschäftigung, Umzüge und detailliert über die Wohnverhältnisse - etwa ob die Wohnung gekauft oder gemietet ist oder wie viele Zimmer sie zählt. Auch wird nach der Höhe der Miete gefragt. Ausländer, die erstmals mitgezählt werden, kommen mit acht Fragen davon. Von Mitte bis Ende November wird für Stichproben noch einmal einer von zehntausend Haushalten besucht. Im April nächsten Jahres sollen dann die Ergebnisse veröffentlicht werden.
Rund acht Milliarden Yuan, heute umgerechnet 850 Millionen Euro, kostet die gesamte Volkszählung, berichtete das Statistikamt.
Andreas Landwehr (dpa) - Bild: epa