Das altehrwürdige Karolinska-Institut rätselt über ein selten großes Leck zum Auftakt der Nobelpreis-Vergaben: Ehe am Montagmorgen die Mitglieder der Stockholmer Nobel-Versammlung endgültig den Medizinnobelpreis an den Briten Robert G. Edwards beschlossen und verkündeten, stand es schon auf der Titelseite von «Svenska Dagbladet»: «Nobelpreis an den Vater der Reagenzglas-Befruchtung».
Für die sonst an allerstrengste Geheimhaltung gewöhnten Nobel-Juroren brachte das ein böses Erwachen beim morgendlichen Zeitungsstudium. Hugo Lagercrantz, Nobel-Juror und Professor für Kindermedizin sagte der Nachrichten-Agentur dpa: «Ich bin davon total geschockt, ich verstehe absolut nicht, wie das passieren konnte. Als ich morgens um sechs in die Zeitung guckte, wollte ich es einfach nicht glauben.»
Vielleicht habe da jemand die Pressemitteilung geklaut, meint der Professor vom Astrid-Lindgren-Krankenhaus, der ausstrahlt, dass er an das Gute im Menschen glaubt. Die Presseerklärung war tatsächlich vor der letzten Abstimmung gedruckt. Normalerweise wird die faktische Entscheidung über einen Nobelpreis in einem sehr kleinen Kreis in den Wochen vor der Veröffentlichung gefällt. Danach versuchen allerlei Experten aus der Medien- und Wissenschaftswelt sich mögliche Preisträger zusammenzuspekulieren. Damit liegen sie, auch dank «Andeutungen» von leicht geschwätzigen Juroren, oft richtig, oft aber auch völlig daneben.
Dass diesmal eine routinierte Wissenschaftsredakteurin den Namen als Faktum vorab veröffentlichen könnte, führte zu deutlich bedröppelten Gesichtern bei den Juroren. Richtig Zorn im Gesicht und in der Stimme hatte dagegen die Wissenschaftsredakteurin der Konkurrenzzeitung «Dagens Nyheter». «Wie konnte das passieren?» fragte sie mehr als einmal mit leicht erhobener Stimme.
Niemand unter den Juroren wollte oder konnte antworten. Ob die Frau von «Svenska Dagbladet» einen der überwiegend männlichen Juroren zum «Singen» gebracht, messerscharf kombiniert oder einfach mal so richtig gezockt hat - es wird wohl für lange Zeit ihr Geheimnis bleiben.
Medizin-Nobelpreis für Technik zur künstlichen Befruchtung
Thomas Borchert (dpa) - Bild: epa