Zur Ökumene hat er nie eine Alternative gesehen, trotz aller Rückschläge und Widerstände. Sympathisch, immer freundlich und mit sanfter Stimme wirkte der Süddeutsche Walter Kasper mehr als elf Jahre lang darauf hin, die schwierige Einheit christlicher Kirchen vom Vatikan aus zu fördern. Auch die ebenso heiklen, weil weiterhin getrübten Beziehungen der katholischen Kirche zum Judentum lagen ihm am Herzen. Jetzt ist der deutsche Kurienkardinal aus Heidenheim an der Brenz 77 und geht in den Ruhestand. «Um das Alter herum dürfen auch Kardinäle in Pension gehen», kommentierte Kasper schmunzelnd.
Und er zieht eine positive Bilanz seiner Arbeit, auch wenn der Weg der Ökumene «mit menschlichen Maßstäben gemessen noch lang ist». Als wahren Erfolg wertet er dabei die «neue Qualität der Beziehungen, das Netz aus persönlichen Kontakten, Freundschaften und Bekanntschaften». Das Netz hat er selbst mit permanenter Dialogbereitschaft geknüpft.
Der Werdegang
Im März 1999 holte Papst Johannes Paul II. den Bischof der Diözese Rottenburg-Stuttgart an den Tiber und machte ihn zum Sekretär des wichtigen Päpstlichen Rates zur Förderung der Einheit der Christen. Zwei Jahre später trug der aufstrebende Schwabe den Kardinalshut und war Präsident dieses für die Ökumene und die Beziehungen zu den Juden zuständigen Rates.
Kritisch und loyal arbeitete Kasper daran, die christlichen Kirchen einander anzunähern. «Es ist nüchterner geworden in der Ökumene, falscher Enthusiasmus ist einem Realismus gewichen», stellte er einmal im Gespräch mit der Nachrichtenagentur dpa heraus. «Der Papst tut, was er halt so machen kann, und er lässt mich machen.»
Immer wieder trat er auch dem gerade aus deutschen Landen gen Rom geäußerten Vorwurf entgegen, es gebe jetzt Stillstand und Eiszeit in dieser Frage: «Wir wollen keine Wischiwaschi-Ökumene.» Und auch der konservative deutsche Pontifex wolle den Dialog durchaus ausbauen.
Der neue Papst erleichtert die Bemühungen nicht wirklich
Dabei hatte der Kurs des Kirchenführers die Arbeit Kaspers nicht gerade erleichtert: Benedikt bekräftigte die «Einzigartigkeit» seiner Kirche, was als Schlag ins Kontor der Ökumene gewertet wurde. Herbe Kritik löste seine umstrittene Karfreitagsfürbitte für die Juden aus. Denn diese zeige eine überwunden geglaubte «Judenmission», hieß es.
Von Joseph Ratzinger fühlte sich Kasper dennoch nicht gebremst. Auch der Papst mache sich keine Illusionen, «dass morgen da schon alles gemacht sein könnte». Für weniger Sand im Getriebe hat er in den Jahren eines freien Europas gesorgt: Es gibt eine Annäherung zu der russisch-orthodoxen Kirche, die sich gerade diesem auf die Werte pochenden Papst in Zeiten der Säkularisierung enger verbunden fühlt. Der erste Besuch eines Pontifex auf Zypern Anfang Juni stand auch im Zeichen des von Benedikt gesuchten Ausgleichs mit den Orthodoxen.
Eigene Akzente gesetzt
Gerade auch Benedikt-Kritiker schätzten den Mann, der sich um die Ökumene und den interreligiösen Dialog so verdient gemacht hat: «Man kann vermuten, dass die vorzeitige Ablösung der Tatsache geschuldet ist, dass Kardinal Kasper ... auch eigene theologische und pastorale Akzente gesetzt hat.» So bedauerte die Reformbewegung «Wir sind Kirche» schon im Herbst 2009, dass Kasper nicht bis zu seinem 80. Geburtstag auf seinem Posten im Vatikan bleiben könne. Die Lanze für Kasper brach die Kirchenvolksbewegung, als gerade wieder mal darüber spekuliert wurde, ob der Regensburger Bischof Gerhard Ludwig Müller sein Nachfolger werden könnte. Das wurde dementiert, und der Basler Bischof Kurt Koch rückte als «Ökumene-Minister» in den Vordergrund.
An die 20 Ehrendoktorhüte, ebenso viele andere Auszeichnungen und eine lange Liste von Büchern, all das gehört zu dem fruchtbaren Leben des Walter Kasper. Sicherlich zu seinem großen Leidwesen muss er eine Baustelle seinem Nachfolger im Amt überlassen: Auch Benedikts Besuch im Heiligen Land vor einem Jahr hat das Porzellan wohl nicht richtig kitten können, das der Vatikan selbst ohne viel Not zerschlagen hatte - mit dem versöhnlichen Zugehen auf die erzkonservativen Pius-Brüder samt dem Holocaust-Leugner Richard Williamson. In Sachen Ökumene und Dialog bleibt für den Nachfolger Koch ein weites Feld zu beackern.
Der scheidende Kasper hat jedenfalls geleistet, was zu leisten war.
Hanns-Jochen Kaffsack (dpa) - Bild: epa